Neuanfang mit dem Automobiltechnischen Büro – ATB

Das Ministerium für Automobilbau der UdSSR gründete im Juni 1946 das Automobiltechnische Büro (ATB) in Chemnitz. Es gab im zur SAG Awtowelo gehörenden Betrieb einen sowjetischen und einen deutschen Direktor. Kapitän Turbin und Dipl.Ing. Wawrziniok bezogen die modernen Gebäude der Auto-Union Versuchsabteilung in der Chemnitzer Kauffahrtei 45. Weitere Mitstreiter wurden Otto Seidan, Adolf Hahn und der Motorenkonstrukteur der Auto-Union-Rennwagen Fritz Trägner. Eine der ersten Aufgaben war der Bau des “Sokol” (Typ 660) eines Formel-2-Rennwagen für die Sowjetunion. Der Zwölfzylindermotor mit 2 Litern Hubraum leistete 150 PS. Bei einem Rennen in Moskau konnten die Motoren aber auf die sehr “andere” Qualität des Kraftstoffs nicht eingestellte werden. Sie wurden wieder nach Chemnitz zurückgeschickt. 

Awtowelo 650 Grand-Prix-Rennwagen, Bauhakr 1949/52

Sokol-Rennwagen

Es wurden verschiedene Zweitaktmotoren entwickelt, die im Gegensatz zu den meist  schlitzgesteuerten DKW-Konstruktionen eine Steuerung mit Walzendrehschiebern aufwiesen. Am weitesten gediehen waren die Arbeiten an einem Dreizylindermotor mit 1500ccm Hubraum und 70 PS mit Benzineinspritzung und Frischölschmierung. Ebenfalls mit Walzendrehschiebern war ein von Paul Wittber konstruierter Sechszylinder-Zweitakt-Boxermotor ausgerüstet, der aus 2250 Kubikzentimetern  65 PS entwickelte und in einen Prototyp des Typs 666 eingebaut wurde. Das Getriebe dafür entwickelte Adolf Hahn, das Fahrwerk mit Schraubenfederung die Konstrukteure Lange und Pietsch. Doch die neu entwickelte Benzineinspritzung und die Frischölschmierung des sehr innovativen Fahrzeugs hätten einer längeren Erprobung bedurft. Das Fahrzeug wurde übereilt vor der Gründung der DDR der sowjetischen Militäradministration vorgeführt. Eine Produktion wurde nicht bewilligt. Adolf Hahn konstruierte im Jahr 1951 ein hydromechanisches PKW-Getriebe, das seiner Zeit weit voraus war. Es wurde, wie auch andere Konstruktionen, beispielsweise von Motorradmotoren und einem Nachfolger der BMW R 35 nicht in die Produktion übernommen. Stattdessen wurde verschiedene Prüfstände z.B. für schwere LKW und Rennmotoren für die Sowjetunion gebaut und somit große Teile des Wissens, des Entwicklungsstandes der Auto-Union für die Sowjetunion nutzbar gemacht – ein Wissenstransfer fast ähnlich dem der V2-Raketen aus Nordhausen. Alternativ zu den Konstruktionen aus Eisenach wurde ebenfalls ein PKW mit Pontonkarosse und Sechszylindermotor entwickelt und davon ein Prototyp gebaut. Dieser BMW 351 ging ebenfalls nicht in Serie.

Das Chemnitzer Forschungs- und Entwicklungswerk

Das ATB der SAG Awtowelo wurde im Jahr 1952 mit dem VEB Chemnitzer Forschungs- und Entwicklungswerk vereinigt und wurde ebenfalls zum Volkseigentum der DDR. Das VEW war schon ein Jahr vorher nur wenige hundert Meter weiter ebenfalls auf dem Gelände der Auto-Union gegründet worden. In den Jahren 1953 und 1954 wurde die Entwicklung des P 50 begonnen, der später als Trabant eine wichtige Rolle in der Massenmotorisierung der DDR spielen würde. In der gleichen Zeit entstanden Prototypen vom Frontlenker L 1, der in Hainichen der Nachfolger des Framo V901/2 werden sollte und einen sehr leistungsfähigen Omnibus mit 225PS-Sechszylinder-Diesel-Unterflurmotor und selbsttragender Bauweise, der den Ikarus-Bussen der nächsten Jahrzehnte überlegen gewesen wäre. Hier wurden neben dem Trabant-Motor auch der Motor des P240 und eine ganze Baureihe luftgekühlter Zweitakt-Motoren entwickelt. Zahlreiche Getriebe und Verteilergetriebe, Einspritzpumpen, Konzepte für Mähdrescher wurden für die verschiedenen Fahrzeugfirmen der DDR konstruiert. Ein weiteres Aufgabenfeld war die Meßtechnik und die Entwicklung diverser Arten von Prüfständen und Prüfstand-Komplexen. Es wurde u.a. ein luftgekühlter Vierzylinder-V-Zweitakt-Ottomotor entwickelt, der im neuen frontgetriebenen Kleintransorter Verwendung finden sollte. Das Aggregat mit 1200ccm und 58 PS wäre ideal für den Export der Transporter in Entwicklungsländer der verschiedenen Klimazonen gewesen.

Der Geländewagen P 1

Auf dem Gebiet der DDR gab es nach dem Krieg keine Unterlagen oder Zeichnungen für einen geländegängigen Wagen ähnlich dem leichten Einheits-PKW der Wehrmacht. So wurde im IFA Forschungs- und Fahrzeugentwicklungswerk in Chemnitz im Jahr 1951 ein völlig neues Fahrzeug mit innovativer Einzelradaufhängung, hoher Bodenfreiheit durch Radvorgelege und Sechszylindermotor aus Eisenach entwickelt. Im Jahr 1952 wurden zunächst drei Prototypen gebaut. Inzwischen waren aber von AWE Eisenach schon 161 Geländewagen des Typs 325-3, der sich schon sehr vom leichten Einheitstyp 325 unterschied, an die Volkspolizei ausgeliefert worden. Durch sich ändernde Vorgaben der Auftraggeber wurde die Serienproduktion, die in den Framo-Werken Hainichen geplant war, nicht begonnen. Stattdessen wurde die Entwicklung des P 2 und die des schwimmfähigen P 2 S in Auftrag gegeben. Im Jahr 1953 wurde Chemnitz in Karl-Marx-Stadt umbenannt.

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Quellen: Kirchberg, Peter, Plaste, Blech und Planwirtschaft, Die Geschichte des Automobilbaus in der DDR, Nicolaische Verlagsbuchhandlung Beuermann GmbH, Berlin, 2000