Ursprung und Neubeginn

Das 1917 gegründete Leichtmetallwerk Kühne in Dresden fertigte Motorrad-Motoren, die von renommierten Firmen, wie beispielsweise Ardie, Imperia und Hercules in ihre Bikes eingebaut wurden. Otto Bark übernahm 1929 den Betrieb und konnte in den späten dreißiger Jahren von der Aufrüstung der Nationalsozialisten profitieren. Er übernahm 1943 Fabrikhallen der ehemaligen Weberei IG Große in Cunewalde und stellte dort Zulieferteile u.a. für Sturzkampfbomber her. Die Stammfirma in Dresden wurden bei einem fürchterlichen Bombenangriff weitgehend vernichtet. Aus den Resten der Firma in Cunewalde entstand im Jahr 1946 das VEB Motorenwerk Cunewalde, das aus unbekannten Gründen kaum demontiert wurde. Hier entstanden 1946 und 1947 Prototypen bzw. Funktionsmuster der neuen DKW-Motorräder RT 125, NZ 250 und 350, denn in Zschopau hatten die Sowjets kaum einen Maulschlüssel oder eine Feile zurückgelassen. Von der NZ 350 gab es Ausführungen mit Zweizylinder-Reihen- und Boxermotor. Aus letzterem ging die IFA BK 350 hervor. Erste Eigenentwicklungen waren Rootslader für Zweitakt-Dieselmotoren. Im Jahr 1948 begann die Produktion von Zeitaktmotoren für Tragkraft-Feuerlöschpumpen. Ab 1951 wurden stationäre Einzylinder-Dieselmotoren mit Verdampfer-Kühlung, Konstruktionen der Firmen Heise aus Leipzig und Steudel aus Kamenz in Serie hergestellt. Die im Jahr 1895 in Kamenz gegründete Firma Steudel fabrizierte von 1899 bis 1911 Personenkraftwagen. Nach dem ersten Weltkrieg wurde verschiedene Motoren gefertigt. Die Konstruktion des DKW-Vierzylinders 4= 8 mit Ladepumpen stammt von Steudel. Der Betrieb wurde 1946 enteignet und war zunächst Betriebsteil der Phänomen-Werke in Zittau, bevor er dem Motorenwerk Cunewalde zugeordnet wurden. Der Einzylinder-Diesel H 65 wurde in beiden Betriebsteilen produziert und in die Dieselkarren, welche zunächst in Brand-Erbisdorf und Zschopau, dann in Ludwigsfelde und zu guter Letzt in Waltershausen hergestellt wurden, eingebaut. 

Motor H 65 mit Verdampferkühlung der Dieselkarre DK 2003 Baujahr 1957

Motor 2 VD 8/8 vom Multicar M22 mit Aggregaten und Schaltgetriebe Sächsisches Nutzfahrzeugmuseum

Dieselmotor 2 VD 8/8 im IFA-Museum Nordhausen

Dieselmotor 4 VD 8/8 im IFA-Museum Nordhausen

Der patente Geräteträger “Maulwurf” (RS08/15) knatterte in den fünfziger Jahren mit einem Zweitaktmotor durch Gärten und Felder. Obwohl das Verfahren zu dieser Zeit noch nicht geschmäht war, erwartete man von einem Antrieb mit kleinem Dieselmotor eine deutliche Senkung des Kraftstoffverbrauchs. Die Hauptverwaltung Automobilbau, eine der vielen wechselnden Verwaltungen, die den Herstellerfirmen übergeordnet waren, beauftragte im Jahr 1952 die Entwicklungsstelle Berlin-Johannisthal zur Entwicklung eines schnelllaufenden kleinen Dieselmotors für den Nachfolgetyp RS 09. Der entwickelte Motor bewährte sich nicht und die Zeit wurde knapp, denn die Entwicklung des neuen Geräteträgers war wichtig. In der Not entschied man sich kurzfristig für den Import von Motoren der Wiener Firma Warchalowski. Der luftgekühlte Zweizylinder-V-Dieselmotor des traditionsreichsten, österreichischen Dieselmotorenherstellers passte genau für diese Anwendung. Nach etwa 1000 importierten Motoren lief im Jahr 1958 die Lizenzproduktion in Schönebeck an. Die DDR hatte aber einen weitaus größeren Bedarf an kleinen Dieselmotoren für die unterschiedlichsten Einsatzzwecke in Bau- und Landwirtschaft und auch im Transportwesen. So wurde vom zunächst sehr kleinen Konstruktionsbüro in Cunewalde die Entwicklung einer Baureihe luftgekühlter Dieselmotoren mit je 80 Millimeter Hub und Bohrung in Angriff genommen. Es wurde mit einem stehenden Einzylinder mit 400ccm Hubraum für Generatoren, Pumpen und beispielsweise auch Rüttelplatten im Jahr 1962 begonnen. Der Zweizylinder in V-Anordnung mit 800ccm und 15 PS war gut geeignet, dem weiterentwickelten Multicar M22 als Antrieb zu dienen. Der Vierzylinder-V-Diesel wurde bald als geeigneter Antrieb für den RS 09/124 angesehen und löste 1964 die Warchalowski-Lizenz-Motoren ab. Das Nischenprodukt Multicar war international bald ein Erfolg und die Kapazitäten in Cunewalde konnten ausgebaut werden. Vom Vierzylinder-V-Motor sind mehr als 60.000 Stück gebaut worden. 

Motor Multicar M24 Sächsisches Nutzfahrzeugmuseum

Im Jahr 1965 wurde der Betrieb nunmehr der VVB Automobilbau zugeordnet. Er begann 1969 mit der Entwicklung einer neuen Dieselmotoren-Baureihe. Die neuen flüssigkeitsgekühlten Dieselmotoren hatten einen Hub von 88 sowie eine Bohrung von 85 Millimetern. Nach der Nomenklatur für die DDR-Motoren lautete die korrekte Bezeichnung des Motors demnach 4 VD 8,8/8,5 SRF. Aus 2 Litern Hubraum entwickelte der Wirbelkammer-Saugdiesel 52 PS Höchstleistung. Da die Motoren vor allem als Industriemotoren und für Arbeitsmaschinen d.h. mit sehr langer Lebensdauer konzipiert waren, stellte man die Einspritzung meist auf die Dauerleistung von 45 PS ein. Der Motor war genau richtig für den neuen leistungsfähigeren Multicar M 24. Er wurde auch u.a. in den innovativen TAKRAF-“Panorama-Staplern” (ohne den üblichen Hubmast) und als Ersatz des Wartburg-Motors als “Staubsauger-Antrieb” in der weit verbreiteten Kehrmaschine auf W50-Fahrgestell verwendet. Für die Verwendung in den unsinkbaren Rettungsbooten der Schiffswerft Rechlin musste der Motor im Bereich Ölpumpe so gestaltet werden, das er auch eine Zeit den Betrieb im Kopfstand, das Überrollen in schwerstem Seegang, überstand. Bald wurde eine Variante des Motors mit 90 Millimetern Bohrung angeboten, welche 58 PS leistete. Der Mercedes (“Strich-8”) 200 D leistete 55 der 220 D 65 PS. Die waren in dieser Zeit die häufigsten Taxen in Westdeutschland. In den Niederlanden und Belgien waren zu dieser Zeit sowjetische Wolga-GAZ-24-Taxis verbreitet, die mit Perkins-Dieselmotoren auf einen sehr wirtschaftlichen Betrieb umgerüstet worden waren. Von Cunewalde wurden – nicht nur deshalb – versuchsweise etliche Wolga-Dienstfahrzeuge auf den neuen Saugdiesel mit 2,2 Litern Hubraum  umgerüstet. Vor allem Taxi-Betriebe aber auch LPG´s wollten unbedingt so einen Motor haben. Die Wolgas brauchten statt 11 bis 12 Liter teuren Extra-Benzins durchschnittlich 7 Liter Diesel, welchen die LPG´s oftmals in eigenen Tankstellen ausreichend zur Verfügung hatten. Es ist für mich vollständig unverständlich, warum in einer Zeit, wo viele staatliche Taxibetriebe mit dem  Propangas-Antrieb “rumkaspern” mussten, die Serienproduktion von Diesel-Umrüstsätzen für den weit verbreiteten, attraktiven Wolga nicht produziert werden durften. Propan war ebenfalls limitiert – nicht ausreichend vorhanden. Trotzdem ist die Entwicklung von Cunewalde sehr positiv. Die Produktion wurde in wenigen Jahren verdreifacht, eine sehr fortschrittliche Technologie eingeführt und vom wassergekühlten kleinen Dieselmotor 178.429 Stück hergestellt. Auf dessen Grundlage wurde nun ein Sechszylinder konstruiert, der sowohl in einer Diesel- wie auch Otto-Variante zum Einsatz kommen sollte. Es wurden etliche Versuchsmotoren gebaut und lange Zeil beispielsweise in 24 Exemplaren der neuen Robur-Prototypen D 609 und O 611 sehr erfolgreich getestet. Im Jahr 1986 musste die Entwicklung auf Weisung “von oben” abgebrochen werden.

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Quellen: Kirchberg, Peter, Plaste, Blech und Planwirtschaft, Die Geschichte des Automobilbaus in der DDR, Nicolaische Verlagsbuchhandlung Beuermann GmbH, Berlin, 2000