Die Theorie

Bei seinem Studium am Polytechnikum München von 1875 bis 1880 wurde Rudolf Diesel von seinem Lehrer Professor Carl Linde angeregt, sich mit einer Wärmekraftmaschine zu befassen, die einen möglichst hohen Wirkungsgrad erreichen sollte. Schon im Jahr 1796 hatte sich der französische Offizier Léonard Sadi Carnot mit dem Wärmegefälle zwischen dem Kessel und dem Kondensator der Dampfmaschine und dem daraus resultierenden  geringen Wirkungsgrad beschäftigt. Er ersann den nach ihm benannten Kreisprozess, der möglichst isotherm vonstatten gehen sollte, d.h, dass sich die Verbrennungsgase in einem Zylinder ausdehnen, ohne das die Temperatur sich weiter erhöht. Statt mit Wasserdampf aus einem Kessel sollte die Maschine mit Luft und Brennstoff direkt im Zylinder betrieben werden. Nach der Verdichtung der Luft auf sehr hohe Werte sollte allmählich und nur soviel Brennstoff zugeführt werden, wie die Expansion der Verbrennungsgase ohne weitere Temperaturerhöhung als Arbeit an beispielsweise eine Kurbelwelle abgeben könnte. Auch beim Verdichten wollte Carnot durch Einspritzung von Wasser, welches durch Verdampfen Energie aufnimmt und beim Expandieren wieder abgibt, die starke Temperaturerhöhung verringern.

Die Umsetzung eines möglichst perfekten Carnot-Prozesses wurde nun zum Lebensthema Rudolf Diesels. Zunächst baute er einen kleinen mit überhitzten Ammoniak betriebenen Motor, der aber mehr nach dem Prinzip der Dampfmaschine bzw. des Girling-Motors funktionierte. Berechnungen und Überlegungen führten zu der Erkenntnis, dass die bisher bekannten Gasmotoren sich für die Anwendung des Carnot-Prozesses nicht eignen. Das Gas-Luft-Gemisch würde schon bei sehr viel geringeren Drücken als für den Kreisprozess Notwendigen durch Selbstzündung beim Beginn des Verdichtungshubes gezündet werden. Diesel hatte Drücke von 250 bar und Verdichtungstemperaturen von 800^C errechnet. Seine Patentanmeldung vom 26.2.1892 besaß 12 Ansprüche. Die ersten beiden lauteten:

” 1. Vermeidung der Vermischung von Luft und Brennstoff, wie dies sowohl in den offenen und geschlossenen Feuerungen als auch in den Explosionsmotoren stattfindet.

2. Compression der Verbrennungsluft oder der zur Verbrennung dienenden Dampf- und Gasmischung auf Drucke weit über der bisher angewendeten und so, daß die Compressionstemperatur hoch über die Entzündungstemperatur des Brennmaterials steigt…”

Das Wichtigste ist der vierte Anspruch mit dem er beschreibt, wie der isothermische Verbrennungsprozess bewerkstelligt werden soll.

“4. Einführung einer genau berechneten geringen Brennstoffmenge einerlei welchen Aggregatzustandes, pro Hub in das comprimierte Luftquantum, und zwar successive, in mathematisch vorgeschriebener Weise, derart, daß der Verbrennungsprozess möglichst isothermisch ausfällt. …”

Dabei wurde auch die Verwendung von Kohlenstaub erwogen. Das Patentamt antwortete, dass im Antrag die Mittel dazu nicht beschrieben seien. Im neuen Antrag vom 7.7.1892 verwendete Diesel vom Patentamt vorgeschlagene Formulierungen und fügte auch ein theoretisches Druck-Volumen-Diagramm bei, das den Carnot-Prozess beschreiben sollte. Damit sollte ihm etwas später das DRP 67207 erteilt werden und er ersuchte seinen Professor sowie Prof. Moritz Schröter um Rat und Unterstützung, um seinen Motor letztendlich in die Praxis umsetzten zu können. Neben rein technischen Bedenken, beispielsweise, dass Drücke von 250bar damals in einem Motor nicht beherrschbar waren, gab es Zweifel, dass beim beschriebenen isothermischen Verbrennungsprozess überhaupt genug Energie abfallen würde, um, abzüglich der erhebliche Reibung in einer solchen Maschine, Leistung und dann auch noch mit erheblichem Wirkungsgrad abzugeben. Pröf. Schröter hat in seinen Antwortbriefen einige Schwierigkeiten, die Diesel in den nächsten Jahren haben würde, vorausgesehen. Rudolf Diesel verfasste nun eine Druckschrift mit dem Titel: “Theorie und Konstruktion eines rationellen Wärmemotors” und verteilte sie an technischen Hochschulen und bei wichtigen Maschinen- und Motorenbau-Firmen. Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Einige waren begeistert, einige skeptisch. Am klarsten sprach Otto Köhler, Lehrer an der Maschinenbauschule in Köln, die Kritik aus. Er rechnete vor, dass der Carnot-Prozess im Motor unausführbar ist, und die Reibung größer als die in der beschriebenen isothermischen Verbrennung entstehende Arbeit. 

Von der Theorie zum Arbeitsverfahren

Durch handschriftliche Aufzeichnungen Diesels kann nachvollzogen werden, wie er vor allem im Disput mit Otto Köhler nach Möglichkeiten suchte, die Ausbeute an Arbeit aus dem Prozess so zu erhöhen, dass sein Motor laufen würde. Diese zunächst auch nur theoretischen Änderungen des Prozesses durch Anhebung des zugeführten Brennstoff-Quantums erhöhten aber Druck und Temperatur so, dass von einem isothermischen Prozess nach Carnot, wie im DRP 67207 patentiert, nicht mehr die Rede sein konnte. Das war ein Dilemma und Diesel wurde dies bewusst. Während andere Erfinder ihre Motoren von der praktischen Seite, meist nach dem Prinz Versuch und Irrtum entwickelten, hatte Diesel zunächst eine Theorie. Aber er war nicht nur Wissenschaftler, sondern hatte auch z.B. bei der Firma Sulzer praktisch gearbeitet. Er besaß das technische, räumliche Vorstellungsvermögen die Idee in die Praxis umzusetzen und fertigte erste Skizzen und Zeichnungen an. Gleich nach der Erteilung des Patentes wandte er sich an MAN in Augsburg, ob diese einen Versuchsmotor bauen würden. Diese lehnen dies ab. Es entwickelt sich ein Schriftverkehr auch über Prof. Schröter, indem Diesel von seinen ursprünglich sehr hohen Temperaturen und Drücken abging und zunächst 44 bis 50 bar vorschlug, um die notwendige Zündtemperatur zur erreichen. Kommerzienrat Heinrich Buz willigte danach ein “…die Ausführung einer Versuchs-Maschine zu übernehmen…um zu erheben, ob das System überhaupt praktisch ausführbar ist.” Nach Regelungen des Patentrechtes und der Lizenzen wurde am 21.2.1893 der Vertrag zwischen Diesel und der MAN geschlossen. Am 10. 4. 1893 folgte ein ähnlicher Vertrag mit Krupp und am 16. Mai mit der schweizer Firma Sulzer.

Der erste Versuchsmotor

Schon seit Anfang 1892 hatte Diesel erste Zeichnungen an MAN geschickt. Durch die im Zuge der Verhandlungen mehrfach verkleinerten Abmessungen des Motors mussten viele Konstruktionszeichnungen neu gefertigt werden. Ab Juli 1893 beteiligte sich auch Diesels Studien-Kollege Lucian Vogel an den Konstruktionszeichnungen. Am 12. 7. 1893 teilte MAN Diesel mit, dass der Motor fertig sei und die Versuche am 17. 7. beginnen könnten. Der stehende Einzylindermotor in Kreuzkopf-Bauweise hatte zunächst ein kombiniertes Ein und Auslassventil mit zwei Ventilsitzen. Der Motor wurde von der Transmission über Riemen angetrieben und erreichte mit Benzin erste Selbstzündungen bei 33 bar. Es gab jedoch diverse Probleme, Undichtigkeiten und Kolbenfresser. Arbeit leistete der Motor nicht.

Erster Umbau des Versuchsmotors

Wichtige neue Merkmale waren: ein neu konstruierter Kolben in dem nun der Brennraum lag, neue Dichtringe mit Spreizringen und ein Ölmitnehmerring. Die Abmessungen der Einspritzpumpe und damit die Brennstoffmenge pro Einspritzung wurde stark vergrößert. Hier zeigte sich bereits, dass Diesel von seinen Berechnungen nach Carnot abwich. Sein Abgehen von der Isothermie zeigte sich auch darin, dass der Zylinder von einem Kühlmantel umgeben wurde. Von Januar bis April 1894 wurde die zweite Versuchsreihe gefahren. Mit der Einspritzung von Petroleum funktionierte der Motor nicht. Es wurde mit Glührohrzündung und äußeren Petroleumvergasern mit Heizvorrichtung experimentiert, ohne Erfolg. Ab November 1893 hatte Diesel den Motor von Brayton studiert. Am 17. 2. 1894 war der Motor auf die Einblasung des Brennstoffs durch Druckluft – wie beim Brayton-Motor – umgebaut worden. Nach heftigen Zündungen, Ansprechen des Sicherheitsventils und Festgehen des Auslassventils musste der Motor abgestellt und viele Einstellungen geändert werden. Am selben Tag konnten aber regelmäßige Zündungen beobachtet werden. Diesels Monteur Lindner hob erstaunt die Mütze, als er bemerkte, dass der Riemen der Transmission schlaff wurde. Der Motor lief zumindest schon mal im Leerlauf. Er gab noch keine Arbeit ab, aber er brauchte keine Kraft mehr, die ihn antrieb. Bei einer dritten Versuchsreihe von Juli bis September 1894 wurde erfolglos mit Funkenzündung und einem “inneren Vergaser” (im Brennraum) experimentiert. Die Ergebnisse waren entmutigend. Auch die 4. Versuchsreihe im Oktober und November mit zwei verschiedenen äußeren Vergasern und Versuchen mit Leuchtgas brachten keine brauchbaren Ergebnisse.

Zweiter Umbau des Versuchsmotors

Zylinder und Zylinderkopf waren neu und wassergekühlt. Da der Brennraum nun wieder im Zylinderkopf, der nun eine Zündkerze hatte, lag, musste aus Platzgründen wieder ein kombiniertes Ein- und Auslassventil verwendet werden. Die Zündkerze bewährte sich nicht und war auch nicht notwendig. Die 5. Versuchsreihe von März 1895 bis September 1896 wurden Versuche mit Gas, Benzin und Gas sowie Petroleum gefahren. Dabei zeigte sich das die Brennstoffmenge und nicht die Dauer der Brennstoffeinführung entscheidend war. Diesel testete verschiedene Düsen-Mundstücke und einen “Sternbrenner”. Mit diesem und dem Brennstoff Petroleum kam der Motor zu einem regelmäßigen Lauf. Allerdings wurde die Einblaseluft noch von einem separat angetriebenen Kompressor geliefert, der ebenfalls Energie bedurfte. Im Juli erhielt der Motor dann einen angebauten von seiner Kurbelwelle angetriebenen Kompressor. Der Motor lief nun von selbst, hatte aber bei weiten nicht den errechneten Wirkungsgrad. Daraufhin wollte die Firma Krupp vom Vertrag zurücktreten. Weitere Versuche ergaben aber einen geringeren Brennstoffverbrauch vor allem in Teillast pro PS/h als bei bisherigen Motoren und fast kein Kohlenmonoxid im Abgas, was auf eine vollkommene Verbrennung hinwies. 

Der dritte Versuchsmotor

Diesel versuchte nun die Leistungsausbeute zu erhöhen, in dem er, wie Benz beim verbesserten Zweitaktmotor, die Kolbenunterseite des nun an der Kolbenstange abgedichteten Zylinders zur Aufladung des Motors benutzte. Dafür erhielt Diesel das DRP 95680. Bei der Konstruktion des Motors wirkte Imaneul Lauster entscheidend mit. Die Regelung von Einspritzmenge- und Zeitpunkt konnte mechanisch verstellt und geregelt werden. Die Vorverdichtung verschlechtere die Leistung und wurde wieder entfernt. Nachdem die Regelung des Nadelventils noch einmal überarbeitet worden war und ein “Siebzerstäuber” angewendet wurde, lieferte der Motor endlich die erwarteten Werte. Der 3. Versuchsmotor, der erhalten ist, und heute im Deutschen Museum steht, gab am 1. Februar 1897 bei Vorführungen 18,3 PS bei 158 U/min ab und verbrauchte dabei nur 234g/PSh. Damit betrug der Wirkungsgrad 26,6%. Das war zwar wesentlich weniger als einst für den Carnot-Prozess berechnet, aber bis dahin der mit Abstand beste Wert, der bei einer Wärmekraftmaschine gemessen wurde.

Schwere Zeiten statt Reichtum

Die ersten Dieselmotoren wurden gebaut, um Dampfmaschinen zu ersetzen. Sie trieben die Transmission großer Werkhallen oder Generatoren an. Sie waren schwere stationäre Maschinen. Die Vorteile lagen auf der Hand. Man brauchte kein großes Heizhaus, Kohlenlager, Heizer und die vielen Prüfungen für Kessel und Armaturen mehr. Der Brennstoffverbrauch pro Leistung sank auf einen kleinen Bruchteil. In der zweiten Hälfte des Jahres 1897 wurden an etliche Firmen im In- und Ausland Lizenzen vergeben. Mit einer Bank und einigen Gesellschaftern gründete Rudolf Diesel am 1. Februar die “Diesel Motoren-Fabrik A.G.” in Augsburg. Doch viele Lizenznehmer und auch nicht die neue Firma von Diesel konnten die Motoren in der Qualität, wie die MAN herstellen und wie sie notwendig war. Viele Motoren sind nie richtig gelaufen. Es gab Reklamationen und viele Reparaturen. Diesel erlitt große finanzielle Verluste und erkrankte schwer. Nachdem Emil Capitaine mit Berufung auf seine eigenen Patente und Konstruktionen erfolglos eine Nichtigkeitsklage gegen Diesels DRP 67207 angestrengt hatte, wurde er nun richtig ärgerlich und wies in einer Publikation nach, dass die meisten Ansprüche des Patents im Dieselmotor nicht verwirklicht worden waren. Diesel konnte in der Tat den isothermischen Carnot-Prozess nicht annähernd in seiner Maschine umsetzen, aber er hatte einen neuen Motor mit für lange Zeit unübertroffenen Gebrauchseigenschaften geschaffen. Unter dem Dilemma ein Patent zu haben, dass überwiegend auf Prozessen beruhte, die nicht stattfanden, hat er sehr gelitten. Im Gegensatz zu Otto hat er das auch gewusst und später verklausuliert zugegeben. Auch Ottos Patent bestand überwiegend aus Ansprüchen, die in seinen Motoren nicht stattfanden. Er starb mutmaßlich aus Gram über Angriffe und die Vernichtung seines DRP 532. Das er “nebenbei” das heute verbreitetste Arbeitsverfahren bei Verbrennungsmotoren erfunden hatte, wurde ihm erst später bewusst. Zwei Beispiele von Männern aus der Geschichte die Großes geleistet haben, aber zu Lebzeiten weder Reichtum noch große Ehre erfahren haben. 

Diesel war überdies ein sehr fortschrittlicher, sozialer Mensch und veröffentlichte im Jahr 1902 das Buch “Solidarismus: Natürliche wirtschaftliche Erlösung des Menschen.” Nach der Jahrhundertwende hatte der Dieselmotor seine Kinderkrankheiten überwunden. Mit besseren Düsen und mehrstufigen Einblaseluftkompressoren wurden sie ab 1910 auch in Schiffe und U-Boote eingebaut. Otto starb am 26.1.1891 im Alter von nur 58 Jahren. Diesel verschwand am 29. 9. 1913 im Alter von 55 Jahren von einem Schiff im Ärmelkanal. Etwa zehn Jahre später begann der Siegeszug seines Selbstzünders im Fahrzeugbau, der bis heute anhält.

Zweizylinder-Viertakt-Dieselmotor zur Stromerzeugung mit zweistufigen Einblaseluftkompressor und Luftflaschen zum Anlassen, Baujahr 1916 

Dieselmotor mit Gleichstromgenerator Baujahr 1916, Detail oben liegende Nockenwelle im Technisches Museum Wien

Die Weiterentwicklung des Viertakt-Dieselmotors

Der Zweitakt-Dieselmotor

Quellen: F. Sass, Die Geschichte des deutschen Verbrennungsmotorenbaus, Springer-Verlag Berlin-Heidelberg 1962