Die Firma Otto & Langen und die Gründung der Deutz AG
Nikolaus August Otto und Eugen Langen erhielten für ihrem atmosphärischen Flugkolbenmotor auf der Pariser Weltausstellung im Jahr 1867 eine Goldmedaille. Der Motor von Lenoir wurde nur mit Silber bedacht. Der m.E. moderner wirkende Motor mit Kurbelwelle und elektrischer Zündung des Franzosen hatte einen geringeren Wirkungsgrad und damit einen höheren Verbrauch des Kraftstoffes Leuchtgas (Stadtgas) als der Motor der N. A. Otto & Cie. Im Jahr 1872 wandelten diese ihre Firma in die Gasmotorenfabrik Deutz AG um, die heute noch Motoren herstellt. Die Flugkolbenmotoren der Deutz AG waren ein großer wirtschaftlicher Erfolg.
“Ottos Neuer Motor”
Den Flugkolbenmotor hatte Otto vor allem deshalb gebaut, weil er befürchtete, dass die harten Schläge der Verbrennung den Motor unweigerlich zerstören würden. Dies war bei seinem ersten Motor mit Kurbelwelle auch der Fall. Der Flugkolbenmotor ging dem aus dem Weg, in dem die Energie der Verbrennungsgase den Kolben nur nach oben schleuderte, und die eigentliche Arbeit durch den Druck der Atmosphäre auf den Kolben und dessen Gewicht verrichtet wurde. Die schweren Motoren leisteten deshalb nur 0,5, 1 oder 2 PS. Die größte Ausführung, die gerade noch in eine Werkhalle passte, wog viele Tonnen und schaffte gerade einmal 3 PS. Bald war diese Leistung nicht mehr ausreichend. Otto glaubte, das Problem der vermeintlich den Kolben zerstörenden Verbrennungsstöße durch eine Schichtung der Ladung, also des Gemisches lösen zu können. Sein neuer Motor sollte zunächst nur Luft und erst zum Schluß Gas-Gemisch in den Zylinder einsaugen. Die Flamme sollte sich so von der Zündquelle in den am Kolbenboden mutmaßlich größtenteils nur noch aus Luft bestehenden Gemisches ausbreiten. Die erwarteten den Kolben zertrümmernden Schläge sollten so vermieden werden. Der Einlaß wurde, wie beim Motor von Lenoir durch einen Schieber sowohl für die vom Kolben im 1. Takt angesaugte Luft und zeitlich verzögert für das Gas betätigt. Dieser Schieber wurde von einer Kurbel auf der mit halber Drehzahl laufenden Nockenwelle bewegt und enthielt auch das Labyrint zur Einschleußung der Zündflamme. Nach der Füllung des Zylinders mit vermeintlich “geschichteter Ladung” wurde diese im 2. Takt verdichtet, durch die Zündflamme gezündet und verrichtete im 3. Takt die Arbeit, erzeugte das gewünschte Drehmoment. Das große Schwungrad lieferte die Energie für die nächsten Takte, so den 4., der die verbrannten Gase durch das von der liegenden Nockenwelle und einen Hebel geöffnete Auspuffventil ausschob.
Am 13. März 1978 wurde Otto das Reichspatent Nr. 532 über einen Motor mit Ladungsschichtung erteilt. Um diese Schichtung zu erreichen, arbeitete der Motor mit den vier Takten. Es wird diskutiert, ob Otto die Publikation von Rochas und den Motor von Reithmann gekannt hat. Die wichtigsten Punkte des Patentes beschreiben hauptsächlich die Schichtung des Kraftstoff(Gas)-Luft-Gemisches, die allerdings nie erreicht wurde. Nur im viertem Punkt – quasi am Rande – wird auf das Viertakt-Verfahren eingegangen. Die Bedeutung der vier Takte in seinem Patent sind Otto erst später bewusst geworden. Das die Ladungsschichtung in keinem seiner Motoren je funktionierte, wollte er nie einsehen.
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Die Deutz AG klagte nach dem Erscheinen von “Ottos neuem Motor” im Prinzip gegen jedes Unternehmen, das Verbrennungsmotoren baute, ganz gleich ob im Zwei- oder Viertakt arbeitend. So verbot Otto der Hannoverschen Maschinenbau-Gesellschaft die Herstellung ihrer Zweitakt-Motoren nach System Wittig und Hees. Diese wiederum stellten gegen das DRP 532 eine Nichtigkeitsklage, unterlagen aber. Die Firma Körting, die ebenfalls Zweitaktmotoren baute, fühlten sich, wie andere Firmen auch, bedroht und versuchten ebenfalls das Patent durch eine mutmaßliche Vorbenutzung durch Christian Reithmann zu Fall zu bringen. Dieses gelang zunächst. In der zweiten Instanz vor dem Oberlandesgericht München wurde das aber widerrufen. Die Vernichtung des DRP 532 erfolgte dann endgültig am 30. Januar 1886 vor dem Reichsgericht Leipzig, durch das Argument der Publikation durch Rochas, die bereits 1862 gedruckt worden war.
Nur zögerlich befasste man sich in Köln-Deutz mit der Weiterentwicklung des Motors zum Benzinmotor und damit zu einer deutlich größeren Palette von Einsatzmöglichkeiten. Eugen Langen hielt den Benzinmotor aufgrund der mutmaßlichen Explosionsgefahr für abwegig. Die Meinungsverschiedenheiten in Köln insbesondere mit Gottlieb Daimler nahmen bald zu und führten zu dessen Ausscheiden aus der Deutz AG im Jahr 1883. Erst 1885 wurde in Deutz der erste Motor mit der Möglichkeit des Betriebs durch den Brennstoff Benzin gebaut. Der Ethymologie nach wird der Begriff “Ottomotor” heute für Benzinmotoren gebraucht. Benzinmotoren aber können heutzutage der Bezeichnung nach Zwei- oder Viertakt, aber auch Drehkolbenmotore sein. Das Patent Ottos lautet im Wesentlichen auf Ladungsschichtung, die es aber nie gegeben hat. “Ottos neuer Motor” besitzt die äußerst bedeutende Innovation des Viertaktverfahrens, die sein Schöpfer aber erst später begriffen hat. Ein heute so genannter Viertakt-Ottomotor müsste nach korrekter Ethymologie besser Benzin-Ottomotor – im Gegensatz zu den Gas- oder Diesel-Ottomotoren – genannt werden. Ottos Innovation ist das Viertakt-Verfahren! “Ottos neuer Motor” bedeutet Viertakt-Motor. Im deutschen Sprachgebrauch findet dies keinen sinnvollen Niederschlag.
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mehr: Das erste praxistaugliche Automobil mit Verbrennungsmotor
Zeittafel wichtiger Erfindungen
Quellen: Neuerungen an Gasmaschinen, Polytechnisches Journal 247, 1883, J. G. Cotta, Stuttgart, Seite 145 – 153
Neue Erdölkraftmaschinen. Polytechnisches Journal 303, 1897, Verlag J. G. Cotta, Stuttgart, Seite 246 – 251
Dr. Peter Kirchberg, Oldtimer Autos von einst, Urania Verlag, Leipzig Jena Berlin, 1974
Wolfgang Roediger, Hundert Jahre Automobil, Urania Verlag, Leipzig Jena Berlin, 2. Auflage 1988, Völker, Renate, Karl Otto Gottlieb Daimler – Ein bewegtes Leben, Silberburg-Verlag, Tübingen, 2014 https://de.wikipedia.org/wiki/Eugenio_Barsanti F. Sass, Die Geschichte des deutschen Verbrennungsmotorenbaus, Springer-Verlag Berlin-Heidelberg 1962