Schnelle Folge von drei Fahrzeuggenerationen, dann 20 Jahre Stagnation – warten auf die 4.

Einer der besten Kenner des IFA Automobilbaus Dr. Peter Kirchberg hat die gebauten Typen innerhalb der 45 Jahre währenden Zeit vier Generationen zugeordnet. Die erste Generation sind Fahrzeuge, die denen vor Ausbruch des Krieges gebauten Typen entsprechen. So wurde schon 1945 in Eisenach mit dem Bau von PKW BMW 321 und Motorrädern BMW R 35 begonnen und in Zschopau stellte man im Jahr 1948 die RT 125 wieder auf die Beine. Die zweite Generation bildeten erste Neuentwicklungen, wie beispielsweise die IFA (MZ) BK 350, der P 70, Wartburg 311, Framo V901 und der LKW H3A. Die ersten Fahrzeuge der dritten Generation waren der Kleintransporter B 1000  und der Robur-Frontlenker LO/LD 2500 im Jahr 1961. Es folgten 1964 der Trabant 601, im Jahr 1965 der W 50 und ein Jahr später der “neue Wartburg” 353. Die Jahre von 1955 bis 1966 waren von einem raschen Modellwechsel geprägt, von Fahrzeugen, die international konkurrenzfähig waren.

I. Generation: Der EMW 327 wurde vor allem als Reparation gefertigt. Automobile Welt Eisenach

II. Generation: Der H 6 B aus Werdau (ab 1952) hatte bereits eine selbsttragende Karosserie

III. Generation: Als der Wartburg 353 1966 erschien, war er modern, wurde zu einem großen Prozentsatz exportiert

IV. Generation: Nach fast 20 Jahren Planung, Hin und Her folgte endlich der IFA L 60 dem W 50.

Schon ab der Gründung der DDR bestimmten Ministerien und andere staatliche Institutionen den Aufbau der Wirtschaft. Derartige Planvorgaben und Regulierungen hatte es aber auch schon in der Zeit des Nationalsozialismus gegeben. Die Neue Ökonomische Politik (NösPL) unter Walter Ulbricht und Erich Apel in den sechziger Jahren war ambitioniert, und ließ den Betrieben wieder etwas mehr Freiraum zur Planung und Entwicklung. Doch die “Hartliner” innerhalb der SED fürchteten die Anhäufung von Kapital und setzten eine immer mehr ins Detail gehende Planung und Bilanzierung durch. Ständig wurden Entwicklungen wegen nicht vorhandenen Mitteln abgebrochen, Eigeninitiativen ausgebremst, immer wieder neue übergeordnete Gremien und Kommissionen gebildet und durch enorme Bürokratie alles erschwert oder gar verhindert. Nach dem Machtantritt von Erich Honecker und dem VIII. Parteitag gab es im Automobilbereich bis 1988 im Wesentlichen keine Einführungen von neuen Entwicklungen in die Produktion mehr. Die Enteignung vieler mittelständischer Betriebe im Jahr 1972 traf die Volkswirtschaft ähnlich wie die Amputation einer Gliedmaße. Viele fähige Leute verließen nach dieser erneuten Zäsur das Land. Danach schafften es neben MZ und Simson nur Waltershausen mit dem Multicar in einer genialen Nische neue konkurrenzfähige Produkte zu entwickeln und herzustellen. Als mit dem L 60 und dem Wartburg 1.3 nach mehr als zwanzig Jahren Stillstand und Verschleiß die 4. Generation die Werkhallen verließ, war die Wirtschaft bereits einigermaßen geschädigt. Der Bedarf konnte oft nur ungenügend gedeckt werden. Man kann also sehr unterschiedliche Phasen in der Wirtschaft der DDR erkennen. Man sollte diese Entwicklungen genau studieren, wenn man eine neue gerechte Gesellschaft entwickeln will. Doch zu allen Zeiten zeigt sich die Schöpferkraft der deutschen Ingenieure. Es gab eine große Zahl von Erfindungen und Prototypen, wenngleich die Zahl der Überführung der Entwicklungen in die Produktion in der Zeit Erich Honeckers fast gegen null lief.

P 610-Prototyp Einer der vielen Entwicklungen von Trabant-Nachfolgern im August-Horch-Museum Zwickau

Zweischeiben-Wankelmotor für Wartburg bzw. Prognose-PKW (Nachfolger) Foto: B. Hofmann

Der B 1100 – hier mit Moskwitsch-412-Motor – sollte den AWE-Viertakt-Motor Typ 400 mit 83 PS bekommen.

Verbreitetstes Einspritzverfahren “Common Rail” in Nord-hausen/Dresden erfunden von d. Treuhand verschenkt.

mehr Prototypen

Unvollständige Typenliste mit Einteilung in Generationen (nur Serienproduktion):

Standort 1. Generation 2. Generation 3. Generation 4. Generation
Zwickau F 8: 1949-55 P 70: 1955-59 P 601: 1964-1990 Trabant 1.1: 1990-91
F 9: 1950-1953 P 240: 1955-59
P 50/P 60: 1957-64
Eisenach BMW 321: 1945-50 Wartburg 311: 1955-65 Wartburg 312: 1965-67 Wartburg 1.3:1988-91
BMW 327: 1949-55 Wartburg 353: 1966-89
EMW 340: 1949-55
BMW R 35: 1945-55
IFA F 9: 1953-56
Hainichen Framo V501: 1949-57 Framo V901/2: 1957-61 B 1000: 1961-91
Zittau 1 Granit 27: 1950-53 1 Garant 30K/32:1953-611 Robur LO/LD:1961-901
IWL   W 50: 1965-90 L 60: 1988-90
Zschopau 1 IFA RT 125: 1948-66 IFA BK 350: 1953-59 MZ TS 250: 1973-76 ETZ 125/150: 1985-91
  MZ ES 250/300: 1956-62 MZ TS 250-1: 1976-81 ETZ 250/251: 1981-89
  ES 175/250-1: 1962-67  
  MZ ES 125/150: 1962-69    
  ES 175/205-2: 1967-72    
  ES 125/150-1: 1969-78    
  ETS 125/150: 1969-73    
  ETS 175/250: 1969-73    
  TS 125/150: 1973-85    

1 Meine Zuordnung in der Tabelle weicht in einigen Fällen von der von P. Kirchberg ab. Seine Publikation enthält keine Daten zu Zweiradherstellern.

Trotz oder gerade wegen der sehr schwierigen Umstände muss man den Fleiß und die Schöpferkraft der Menschen in der DDR würdigen. Durch das Embargo des Westens mussten ganze Industriezweige neu aufgebaut werden. Letztlich haben wir in der DDR vom Streichholz bis zum Übersee-Frachter so gut wie jedes denkbare Produkt selbst hergestellt – und das in einem Land fast ohne Rohstoffe. In der Fahrzeugindustrie bauten wir von Zündkerzen angefangen über Fahrradhilsmotoren, Motorräder, PKW, Transporter, LKW, Traktoren, alle Arten Anhänger, alle Arten Waggons, bis zu allen Arten Lokomotiven, alle Arten Kräne, Bagger, u.v.m. Was ist ihnen von Fahrzeugmarken anderer kleiner Länder bekannt? Welche Autos landeseigener Marken wurden von 1945 bis 1990 in Finnland, Norwegen, Dänemark, Belgien, Holland, Österreich, Schweiz und Portugal gebaut? Was wurde aus der ruhmvollen britischen Fahrzeugindustrie? Die Bürger der DDR brauchen sich nicht schamvoll zu verstecken! Weiter oben schrieb ich, dass das, was nach dem Bombardement kam, für die Fahrzeugindustrie schlimmer war, als der Krieg selbst. Die staatliche Planwirtschaft, insbesondere in der Zeit des “Vollhorsts” Günter Mittag, der PKW´s teilweise als dekadentes Privileg der Bourgeoisie betrachtete, fügte der Wirtschaft Schaden zu. Doch wir existierten und die meisten Menschen konnten recht gut und einigermaßen sorgenfrei leben. Dann kam die “Wiedervereinigung”. Die Industrie wurde weitgehend zerstört und Millionen Menschen z.T. für sehr lange Zeit arbeitslos. Allein Sachsen verlor 1,2 Millionen Menschen (von etwa 4 Mill.). Planwirtschaft ist nicht gleich Planwirtschaft und der freie Markt löst nicht alle Probleme. Er schafft auch viele. Mit dem Material von einem Elektro-SUV von heute hätte man damals vier bis fünf Trabis bauen können. Auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen könnte der extrem sorgsame Umgang mit Rohstoffen, wie wir ihn pflegten, auch als Vorbild dienen. Man sollte aus den vielen Vorgängen Lehren ziehen und das Beste daraus machen. Denn so wie der unregulierte, globalisierte und von den USA imperial dominierte Kapitalismus die Welt verheert, kann es keinesfalls weitergehen. Vielleicht gehört etwas mehr Plan aus demokratischem Willen in den Markt. Auf alle Fälle aber brauchen wir weniger und kleinere Autos – zurück in die Zukunft! 

Erstes Motorrad mit Wankelmotor der Welt: MZ BK 351 Baujahr 1963 im Schloss Augustusburg

Gewann mit Harald Sturm die Enduro-Europameisterschaft im Jahr 1983: MZ GT 250 im Enduro-Museum Zschopau

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Quellen: Kirchberg, Peter, Plaste, Blech und Planwirtschaft, Die Geschichte des Automobilbaus in der DDR, Nicolaische Verlagsbuchhandlung Beuermann GmbH, Berlin, 2000