Die Daimler-Motoren-Gesellschaft und der “Schnelllaufende Verbrennungsmotor”

Nach seinem Ausscheiden aus der Deutz AG gründete Gottlieb Daimler die Daimler-Motoren-Gesellschaft in Cannstadt. Dorthin folgte auch sein Kollege – oder besser – Ziehsohn Wilhelm Maybach. Das Domizil der winzigen Firma befand sich im Gewächshaus im Garten der Villa, die Daimler gekauft hatte. Dem angestellten Gärtner kam das geheime Werkeln merkwürdig vor und er alarmierte die Polizei, da er Falschmünzerei vermutete. Die Polizei fand keine Indizien dafür. Der Gärtner behielt dennoch seinen Job bei Daimler. 

Der neue schnelllaufende Viertaktmotor hatte keine Nockenwelle. Das Patent der Fa. Daimler N. 28243 beschreibt die Steuerung des Auslassventils durch Kurvennuten. Diese Erfindung hat Daimler offenbar von Ferdinand Kindermann übernommen. Die Schiebersteuerung des Motors von Otto hatte ihre Grenze bei der Drehzahl, vor allem bei der Zündung. Die ungesteuerte Glührohrzündung wurde entwickelt und das Einlassventil als automatisch öffnendes (Schnüffel-) Ventil ausgeführt. Dieser Motor wurde zunächst noch mit Leuchtgas betrieben, aber man experimentierte auch mit einem “Apparat zum Verdunsten von Petroleum”, womit aber Benzin gemeint war. Zunächst hatten diese auch als “Standuhr” betitelten Motoren noch ein Ventil im Kolben, mit dem durch Vorverdichtung aus dem Kurbelgehäuse die Verbrennungsgase aus dem Zylinder gespült werden sollten. Diese Ventile verbrannten aber immer nach einiger Zeit, sodas auf diese Art der Spülung später verzichtet wurde. Es gibt Zeichnungen mit einem Überströmkanal neben dem Zylinder mit automatischem Ventil, das durch die Vorverdichtung geöffnet wurde. Nur Monate später entstand das erste Daimler Motorfahrzeug – der “Reitwagen”. Dieser hatte aber noch das Ventil im Kolben und damit Merkmale, die eigentlich zum Zweitaktmotor gehörten. In wenigen Monaten hatte Daimler und Maybach große Fortschritte gemacht. Ein recht komplexer Vergaser verdampfte nun den neuen Kraftstoff Benzin und der Reitwagen konnte für die damaligen Verhältnisse sicher gelenkt und gebremst werden. Um die Einsatzmöglichkeiten des “Schnelläufers” aufzuzeigen wurde auch ein größerer Typ entwickelt und in einen Wagen eingebaut. Die etwa 1,1 PS reichten aber nur für die Fortbewegung auf Wegen mit geringen Steigungen. Die Firma wollte eigentlich nur Motoren und keine Fahrzeuge bauen. Der Motor wurde anfangs in geringer Stückzahl vor allem als Bootsmotor verkauft. 

Replik des Daimler Reitwagen, Baujahr 1885 in der Ausstellung des Museums “PS-Speicher” in Einbeck

Vereinfachte Funktionsskizze des Standuhrmotors: a Einlaßventil ins Kurbelgehäuse, b Ventil im Kolbenboden, c Auslaßventil

 

Daimler Reitwagen, Baujahr 1885, Detail Zylinderkopf und voluminöser Schwimmervergaser

Daimler Motorkutsche Replik, Verkehrsmuseum Dresden

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Daimler Motorkutsche; Kurbelgehäuse und Riementrieb

Daimler Motorkutsche; Der Schwimmer-Vergaser ist größer als der Zylinder. Verkehrsmuseum Dresden

Nachdem sich für den schnelllaufenden Motor vor allem als Bootsmotor ein Markt eröffnete, kaufte Daimler die Räume und Anlagen einer ehemaligen Vernickelungs-Anstalt auf dem Seelberg in Cannstadt. Die Leistung von 1 bzw. 1,1 PS für den ersten Motorwagen Daimlers war keineswegs ausreichend. Am 9. 6. 1889 wurde durch DRP 50.839 ein leistungsfähigerer Motor mit zwei Zylindern in V-Form patentiert. Dieser Motor leistete bei 620 U/min  immerhin 2 PS, was einen Wagen nun einigermaßen fortbewegen konnte. Der Anteil Maybachs an den Erfindungen konnte bis hier nur schwer ermittelt werden. Wie genial er tatsächlich war, zeigte sich spätestens mit dem “Stahlradwagen” mit Viergang-Zahnrad-Wechselgetriebe und einer richtigen Kupplung. Dieser war ähnlich zierlich und leicht, wie die Wagen von Benz konstruiert, die 4 Gänge, 4 Räder und immerhin zwei Zylinder waren aber Fortschritte, die aus Maybachs, nicht aus Daimlers Hirn kamen. Das Fahrzeug war ein echter Quantensprung. Kurz darauf konstruierte Maybach seinen ersten Vierzylindermotor. Dieses Aggregat mit einer Leistung von nun 5PS wurde vor allem als Bootsantrieb verkauft. In Deutschland stand man mit dem “Pferdelosem Wagen” auf Kriegsfuß. Deutz, Benz und Daimler verkauften im Wesentlichen Motoren. Gottlieb Daimlers Vermögen war wieder einigermaßen zusammengeschmolzen. Ein Verkauf von Lizenzen an die französische Firma Panhard & Levassor verschaffte etwas Zeit durch Geld, dann musste Daimler neue Möglichkeiten finden. Diese bestand in der Gründung der neuen Daimler-Motoren-Gesellschaft, in der Max Duttenhofer und Wilhelm Lorenz die neuen Haupt-Investoren wurden. Wilhelm Maybach sollte technischer Direktor werden, trat sein Amt aber nach massiven Differenzen nicht an. Auch zwischen Daimler und den Aufsichtsräten und Mehrheitseignern kam es immer häufiger zu schweren Meinungsverschiedenheiten. Nachdem Maybach als Konstrukteur nicht mehr zur Verfügung stand übernahm Max Schröder seine Aufgaben. Er war recht fähig, setzte aber mehr auf stationäre Motoren. Insgesamt wich die Entwicklung immer mehr von Daimlers Zielen ab. Daimler fand für sich eine neue “geheime” Strategie. Er blieb im Vorstand, schuf aber mit seinem Ziehsohn Maybach zunächst in dessen Wohnung und dann im ehemaligen Hotel Herrmann eine Art “Geheimfirma”, die außergewöhnlich fruchtbar werden sollte. 

Das erste “praxistaugliche Automobil” von Benz

Maybach im Hotel Herrmann

Die ersten Motorräder

Zeittafel wichtiger Erfindungen

Quellen:  Neuerungen an Gasmaschinen, Polytechnisches Journal 247, 1883, J. G. Cotta, Stuttgart, Seite 145 – 153
               Neue Erdölkraftmaschinen. Polytechnisches Journal 303, 1897, Verlag J. G. Cotta, Stuttgart, Seite 246 – 251
               Dr. Peter Kirchberg, Oldtimer Autos von einst, Urania Verlag, Leipzig Jena Berlin, 1974
               Wolfgang Roediger, Hundert Jahre Automobil, Urania Verlag, Leipzig Jena Berlin, 2. Auflage 1988,                                                               Völker, Renate, Karl Otto Gottlieb Daimler – Ein bewegtes Leben, Silberburg-Verlag, Tübingen, 2014                                                           https://de.wikipedia.org/wiki/Eugenio_Barsanti                                                                                                                                       F. Sass, Die Geschichte des deutschen Verbrennungsmotorenbaus, Springer-Verlag Berlin-Heidelberg 1962