Schon Ende 1959 begannen im VEB Kraftfahrzeugwerk “Ernst Grube” im sächsischen Werdau erste Arbeiten an einem Nachfolgemodell des S 4000-1. Nach Versuchen mit einem netten Kurzhauber, dem S 4500, wurde 1961 ein erster Prototyp des Frontlenkers W 45 fertiggestellt. Im Jahr 1962 entsprachen die Prototypen des W 45 schon weitgehend dem zukünftigem Serienmodell. Für mich ist nach wie vor schwer nachvollziehbar, wie die  Entscheidungen über Prioritäten, Aufteilungen der Produktionen und Spezialisierungen innerhalb des RGW zustande kamen. Das in Balkanstaaten, wie Rumänien, beispielsweise Lokomotiven hergestellt wurden, die dann z.B. in der DDR wieder demontiert und mit eigenen, brauchbaren Teilen in einen benutzbaren Zustand versetzt werden mussten, kann man jungen Leuten heute kaum erklären. Der sozialistische Internationalismus war theoretisch eine schöne Sache, die Praxis aber eine Katastrophe. Die Produktion des m.E. potenten Nachfolgers des H 6 wurde regelrecht unterbunden, die Produktion von P 3, G 5 und anderen Modellen eingestellt, um eigentlich ungeeignetere Modelle aus der Sowjetunion und Rumänien zu importieren. Aber, es ist müßig, darüber zu streiten, es war eben so, der Rat hatte (durch die Partei) gesprochen! In Sachsen versuchte man das Beste daraus zu machen. Der W 50 sollte teilweise auch Transportaufgaben bewerkstelligen können, welchen eigentlich den Nachfolgern von G 5 und H 6 zugedacht waren. Besonders im Fernverkehr, der in der DDR eigentlich unterbunden und von der Reichsbahn geleistet werde sollte, blieb der W 50 immer ein Notbehelf. Die erreichbaren Stückzahlen im Werk in Werdau von etwa 3000 LKW pro Jahr reichten überdies für den geplanten Bedarf und eine wirtschaftliche Großserienfertigung nicht aus. So entschied das Wirtschaftsministerium der DDR die Produktion in das potente Unternehmen VEB Industriewerke Ludwigsfelde zu verlagern. Es wurde eine gigantische Montagehalle und ein Presswerk aus dem Boden gestampft. Man wollte wenigstens im vom RGW zugewiesenem Marktsegment “leichte und mittlelschwere LKW” das Mögliche erreichen. Ausnahmsweise war es in Ludwigsfelde gelungen, eine Produktionsanlage zu errichten, die dem Bedarf und dem Weltmarkt wirklich gerecht werden konnte.

Der Motor

Der VEB Horch, in dem H 3A und S 4000 entwickelt worden waren, galt bis 1947 eigentlich nicht als eine typische Heimstätte des Dieselmotors. Erste Erfahrungen hatte man bei der Produktion des robusten Wirbelkammer-Diesels des Traktors Pionier gesammelt, der aber bereits bei der FAMO entwickelt worden war. Im sächsischen Plauen war einst die VOMAG AG ansässig, die durch schwere LKW, große, teils dreiachsige Reisebusse aber auch Unterflur-Dieselmotoren für Triebwagen der Reichsbahn weithin bekannt war. Hier gab es aber nichts mehr zu holen. Die Sowjets hatte bis auf eine zerschossene Brücke alles mitgenommen und den Rest gesprengt. Es gab aber einige Fähigkeiten von Menschen, welche zum einen den Krieg überlebt hatten und zum anderen auch in der sowjetischen Besatzungszone geblieben waren. Die Dieselmotoren von H 3 A und H 6 führten jedenfalls die Tradition der “atomisierten” VOMAG fort, wenn man von der demontierten Tradition der Panzer einmal absieht, die nun irgendwo viel weiter östlich dazu führte, dass derlei Kriegsgerät aus Werkhallen rollte.

Eisenbahnbrücke zum VOMAG-Gelände mit Bombentreffern in Plauen

Eisenbahnbrücke zum VOMAG-Gelände mit Bombentreffern in Plauen

Motor EM 4-22 in einem S 4000

Motor EM 4-22 in einem S 4000

Motor EM 4 im August Horch Museum Zwickau

W 50 L  der Grenztruppen beim IFA-Nutzfahrzeugtreffen in Werdau 2019

In Zwickau baute man nun Wirbelkammer-Dieselmotoren mit zwei, vier und sechs Zylindern, reichlich drei, sechs und neun Litern Hubraum und zunächst, 30 (Traktor RS 04), 80 (H3A)und 120 (H6, G 5) PS. Auf die Motorblöcke kombinierte man Zylinderköpfe mit zwei (RS 04/30, RS 14/40, RS 04/46, H3A, S4000) oder drei Zylindern (H 6, G 5). Die Ausführung mit vier Zylindern hieß zunächst EM (Einheitsmotor) 4 – 20, der mit 80 PS im H3A zum Einsatz kam. Der Nachfolger EM 4 – 22 mit 90 PS Leistung und fünffach gelagerter Kurbelwelle, wurde ab 27.2.1965 in Nordhausen vor allem für den werdauer S 4000-1-Viertonner gebaut. Für den neuen W 50 reichte eine Leistung von 90 PS nicht mehr aus. Zur Umgestaltung der Produktionsstandorte des IFA-Kombinates Nutzfahrzeuge gehörte auch die vollständige Verlagerung der Produktion des Einheitsmotors EM 4 – 22 in das VEB Schlepperwerk Nordhausen. Dazu mussten die Nordhausener die Produktion ihrer Traktoren aufgeben. Das erfolgte aber nicht ohne Widerstand. Die nordhausener Konstrukteure und Betriebsdirektoren wurden in einem Verfahren des Disziplinarausschusses des Volkswirtschaftsrates regelrecht abgesetzt. Argumentiert wurde, dass die Traktoren mit Leistungen von 36 bis 60 PS für die neuen Anforderungen der sich rasch entwickelnden LPG nicht hinreichend gewesen wären, was zumindest als Argument nicht völlig entkräftet werden konnte. Die Art und Weise des Verfahrens mag man trotzdem als fragwürdig ansehen. Das war nicht schön. Wie auch immer, es galt nun, aus den vorhandenen Möglichkeiten das Beste zu machen. Unter der Leitung von Ingenieuren aus Zwickau und Schönebeck wurde die zwickauer Konstruktion auf VOMAG-Basis zunächst von 115 auf 120mm “aufgebohrt” und erreichte bei leicht erhöhter Drehzahl 110 PS. Dieser “Kompromissmotor” 4 KVD 14,5/12 (Hub/Bohrung) wurde von den Nordhausenern nicht wirklich gemocht und ist heute laut http://www.ifa-museum-nordhausen.de in keinem einzigen überlebenden Exemplar erhalten geblieben. Der neue Chefkonstrukteur Dr. Günther Caspari der Firma, die nun VEB Motorenwerke Nordhausen hieß, überarbeitet das Aggregat völlig, so das von einigen Äußerlichkeiten abgesehen, nur noch Hub und Bohrung und somit der Hubraum übrig blieb. Für das neue Mittelkugel-Verfahren musste man allerdings nun bei MAN für jeden Motor 50,- DM Lizenzgebühr entrichten. Eine Konstrukteurs-Schmach, die man jedoch nicht lange auf sich sitzen ließ. Schließlich führte die Innovativität der nordhäusener Ingenieure zur Entwicklung des ersten Common-Rail-Dieselmotors der Welt. Das weiß heute aber kaum noch jemand.

Mein erster W 50L/LDK (mit Ladekran), auf dem Gelände des VEB Chemieanlagenbau Leipzig, 1990

Mein erster W 50L/LDK (mit Ladekran), auf dem Gelände des VEB Chemieanlagenbau Leipzig, 1990

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Quellen: Suhr Christian, Das Messealbum, DDR-Motorindustrie im Spiegel der Leipziger Messe, Motorbuch Verlag, 2010