Melkus RS 1000

Jüngere Leute werden heute wohl kaum begreifen, was es in der DDR bedeutete, wenn ein kleiner Privatbetrieb, der im Wesentlichen seine Einnahmen aus dem Betrieb einer Fahrschule bezog, sich als Hersteller von Sportwagen zu betätigen gedachte. In der sozialistischen Planwirtschaft musste alles auf Jahre hinaus geplant und bilanziert werden. Schon das einigermaßen renommierte VEB Automobilwerk Eisenach war an so etwas gescheitert. Das bildschöne Coupé Wartburg 355 war wie sein Vorgänger 313-2 von den Wirtschaftslenkern abgelehnt worden. Deren Kommentar; “Wir brauchen keine Autos für Playboys”. Und da kommt eine Firma, die hauptsächlich Fahrschüler ausbildet und will plötzlich Sportwagen bauen und das auch noch kurzfristig, wo doch jede Schraube im Fünfjahrplan seit Zeiten fest bilanziert war. Unmöglich! 

RS 1000 beim Weinbergrennen des MC Naumburg 2009

Der Melkus mit BMW-Motor bei der Oldtema Halle 2015

Nach nur fünfmonatiger Entwicklungszeit wurde im Frühjahr 1969 der Prototyp des Rennsportwagen Melkus RS 1000 präsentiert, der vor allem als Sportgerät den in eine Art Flaute geratenen Strassenrennsport in der DDR beleben sollte. Mit dem Fahrzeug konnte man auf eigener Achse zu den Rennen fahren und es darüber hinaus auch im normalen Straßenverkehr nutzen. Wie haben Heinz Melkus und seine Mitstreiter das hinbekommen? Nun, Melkus war den Wirtschaftslenkern durchaus bekannt für seine Tüchtigkeit. Schließlich wurden allein vom Rennwagen Typ 64 mehr als 50 Exemplare ins Ausland verkauft. Die Melkus KG erhielt dafür 15.000,- Ostmark pro Stück. Die Kunden bezahlten an das Außenhandelskontor der DDR umgerechnet zwei- bis dreimal soviel. Die Firma Melkus stand nicht allein da, sondern hatte durch den Rennwagenbau u.a. Beziehungen zum Kraftfahrzeugtechischen Amt – vergleichbar mit TÜV oder DEKRA-, der Firma König (Getriebe) und der TU Dresden. Melkus besaß schon vor der Antragstellung “Grobskizzen” in Form von Modellen, die aber als eine Art Zukunftstraum existierten. Bezeichnend war aber seine an den “real existierenden Sozialismus” angepasste Herangehensweise. Die war ebenso genial, wie seine Konstruktionen. Am 7. Oktober des Jahres 1969 würde die DDR ihr 20. Jubiläum feiern. Etwa ein Jahr vorher beantragte er – als “sozialistische Entwicklungsgemeinschaft” firmierend – über die Kommission Automobilrennsport im ADMV und die Zentrale Sportkommission des DTSB auch in deren Namen, zu Ehren der DDR eine Kleinserie von Rennsportwagen herzustellen. Letztendlich haben sie es aber einfach gemacht. Sie haben die Flundern hergestellt, obwohl die Organisation des Materials nur schwer zu bewerkstelligen war. Basis des Fahrzeugs war das Fahrgestell des Wartburg 353 in das dessen Motor hinten als Mittelmotor angeordnet wurde. Die Fa. König passte die Getriebe dafür an. Federung und Dämpfung wurden abgeändert. Auf das Fahrgestell wurde eine überwiegend aus GFK-Teilen bestehende Karosse gesetzt, die in großen Teilen im VEB Robur-Werke-Zittau (Werk II ehem. Novack KG) laminiert wurde. Serienmäßig hatte der RS 1000 etwa 70 PS mit den drei BVF-MZ-Vergasern. Für das 790kg leichte windschlüpfrige Fahrzeug reichte das für 170km/h. Das war für den Ostblock und das Ende der sechziger Jahre sehr viel. Für den Renneinsatz wurden die Motoren aber meist auf etwa 90 PS und mehr getunt. Der kleinen Dresdener Fahrschule gelang es, bis 1979 genau 103 Exemplare des Fahrzeugs herzustellen. Ein Exemplar wurde mit Lada-Motor und eines mit BMW-Motor ausgerüstet und zugelassen. Die Preiskommission der DDR legte den EVP auf 29.800 Mark der DDR fest. Der Handwerker, der die Heizung der Fahrschule instandsetzte, war auch der einzige Kunde mit einem selbst organisierten BMW-Motor. Viele RS 1000 wurden nur kurz im Rennsport eingesetzt. Eine Verpflichtung, soundsoviele Rennen nachzuweisen, gab es ja nicht. So mag dann tatsächlich der ein oder andere “sozialistische Playboy” in den Besitz dieses automobilen Hinguckers gekommen sein, auch wenn er eher weniger Erbe – wie im Westen üblich – sondern vielleicht beispielsweise Schlagersänger oder privater Handwerksmeister war.

Norbert Haupt mit dem neu aufgebauten Melkus PT 73 Spyder auf dem Sachsenring 2017

Rennsportwagen B5/B6 1970 – 1979

Rennsportwagen Melkus PT 73 und SEG Spyder

Auf der Grundlage des auf dem Fahrgestells des Wartburg 353 basierenden RS 1000 schuf Ulli Melkus im Jahr 1973 einen leichten Rennsportwagen für die Klasse B5. Zunächst wurde wie beim Typ 64 ein auf die Seite gedrehter Wartburg-Motor verwendet. Bald tauchten in der Sportwagenklasse ähnliche Eigenkonstruktionen auf. Der Hubraum der Gruppe B5 wurde 1975 auf 1300ccm erhöht und Klaus Ludwig brach 1975 mit seinem Spyder auf Basis des SEG III Fahrgestells die bis dahin herrschende Dominanz der Melkus RS 1000 in dieser Rennsportwagenklasse. Ab 1976 wurden die Rennen dann in der Klasse B 6 bis 1300ccm ausgetragen und die meisten Spyder-Konstruktionen hatten Wartburg-Motoren mit 1150ccm Hubraum. 

Aufsehen erregte die Monocoque-Konstruktion mit Dacia-Motor von Helmut Tschernoster, der diesen “TR-Spyder” Helga Heinrich zur Verfügung stellte. Der rumänische Renault-Motor mit 1300ccm erreichte jedoch nicht die Leistung, wie die Wartburg-Zweitakter, sodas die Renn-Amazone im Jahr 1978 wieder einen Spyder mit eisenacher Motor fuhr, diesmal des Konstrukteurs Scharfe. Im Jahr 1979 wurde sie letzte DDR-Meisterin in dieser Gruppe.

Helga Heinrich im TR-Spyder in Schleiz 1977

Spyder ex Klaus Ludwig von Lutz Heinicke† beim Flugplatzrennen Brandis 1997

 

Ludwig-Spyder Detail Motor

Sappo-Lada von Wolfgang Küther

Die Legende berichtet, dass es Wolfgang Küther minutenlang aufgrund der kurvenreichen Straßensituation nicht gelang einen Saporoshez 968 zu überholen. Er war gezwungen, “Chrustschows Rache” zumindest einigermaßen lang von hinten in Augenschein zu nehmen. Dies blieb nicht ohne Folgen. Der Sappo war klein und leicht. Aerodynamische Nachteile konnten durch eine abgesenkte Fronthaube entschärft werden. In der weitgehend freien Gruppe B6 wurden Konzepte, wie ein konkurrenzfähiger Motor realisiert. Ein Unfallwagen Saporoshez wurde bald preiswert besorgt. Ein Lada 1300-Motor konnte organisiert und nach allen Regeln der Kunst getunt werden. Die Gruppe B6 spielte aber bald im Rennsport der DDR nicht mehr die allergrößte Rolle. Der Sappo-Lada war auch schwerer als die aufkommenden “Spyder-Flundern”. Wolfgang Küther als einer der besten internationalen C9-Fahrern fehlte in der DDR-Nationalmannschaft im (halb-) internationalem Wettbewerb und Albert Gärtner veranlasste ihn, wieder zur Formel zurückzukehren. So geriet das halbukrainische Unikat zunächst in Vergessenheit. Im Jahr 2006 baute Reinhard Zängler das Fahrzeug recht original wieder auf. Thomas Roth aus Greiz präsentiert es seit einiger Zeit bei Veranstaltungen des historischen Rennsports.

Replica des Sappo mit Lada-Motor wie ihn Wolfgang Küther fuhr. Köthen 2018

Sappo-Lada von Thomas Roth beim ADMV Clasiic Cup in Köthen im Jahrv 2018

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Quellen: Wolfgang Melenk, Meister des Sports, Der Automobilrennsport in der DDR, Motorbuch Verlag, Stuttgart, 2004                                              Wolfgang Melenk, Mike Jordan, Rennsportlegende Heinz Melkus, Verlag Schneider Text, 2008                                                                      Ihling, Horst, Autorennsport in der DDR, Bild und Heimat Verlag, Reichenbach/Vogtl., 2006                                                                        Medrow, Hendrik, Von Könnern, Machern und Legenden, Akteure im Automobilrennsport der DDR,                                                              HB-Werbung und Verlag GmbH & Co. KG, Top Speed, Chemnitz 2016