Die gut fließendem Einnahmen aus dem Verkauf der neuen Zweitaktmotoren erlaubten es Carl Benz ab 1884 wieder an seine Idee eines “Pferdelosen Wagens” heranzugehen. Sein Zweitaktmotor mit dem Kreuzkopf und all den Schiebern und Ventilen war zu schwer und zu kompliziert, um dafür als Antrieb zu dienen. Er dachte an einen auf dem Kopf stehenden Stationärmotor ähnlich dem von de Bisshop, der so leicht, wie möglich auszuführen war und in Fahrtrichtung auf die Seite gelegt eingebaut werden sollte. Das Viertakt-Prinzip war ihm bekannt, vermutlich auch die gerichtlichen Auseinandersetzungen darüber. Da er befürchtete, das Kreiselmoment des Schwungrades könnte den Geradeauslauf beeinträchtigen, stellte er die Kurbelwelle senkrecht. Mit einem Kegelradpaar im Übersetzungsverhältnis 1:2 trieb er die horizontale Nockenwelle an, welche den Schieber für den Einlaß und das Auslaßventil steuerte und auch die Riemenscheibe für die Abgabe des Drehmomentes auf die Vorgelegewelle trug. Bei einem Hubraum von fast einem Liter, einer Verdichtung von etwa 1 zu 3 leistete der erste Motor 0,7 bis 0,88 PS. 

Der Benz-Viertakt-Otto-Stationärmotor wurde mit Pferden an seinen Einsatzort gebracht, im “PS-Speicher”

Replik des Benz Patent Motorwagen Detail; Motor mit Schwungmasse im “PS-Speicher” in Einbeck 

Replika Benz-Patent-Motorwagen, Detail Zylinder

Blick auf Einlaßschieber, Oberflächenvergaser und Zündkerze, Verkehrsmuseum Dresden

Replika Benz-Patent-Motorwagen, Detail Motor

Benz-Patent-Motorwagen, Verkehrsmuseum Dresden

Auf der geteilten Vorgelegewelle befinden sich eng nebeneinander zwei Riemenscheiben. Eine ist lose, die andere fest mit dem kleinen Kegelrad des Differentials verbunden. Dieses verteilt die Kraft auf die beiden an den Enden der beiden Vorgelegewellen angebrachten Tellerräder. An den äußeren Enden der Vorgelegewellen sitzen Ritzel, welche die beiden Ketten zu den Hinterrädern antreiben. Wird der Fahrhebel nach hinten gezogen, gleitet der von der Nockenwelle kommende Riemen von der Losscheibe auf die Scheibe, in dem sich das Differential befindet und wird straff gezogen. Das Fahrzeug setzt sich in Bewegung. Wird der Hebel nach vorn gedrückt, wird der Riemen schlaff und rutscht auf die lose Riemenscheibe – sozusagen in den Leerlauf. Gleichzeitig wird das Fahrzeug mit dem nach vorn gedrückten Hebel, der einem Bremsklotz gegen eine Bremsscheibe auf der Vorgelegewelle drückt, angehalten. Diese sinnreiche Konstruktion einschließlich der Erfindung des Differentials macht das Fahrzeug tatsächlich recht gut fahr- und beherrschbar. Verglichen mit den Vorgängern von da Rivas, Brown, Lenoir, und Markus war das grazile Dreirad tatsächlich praxistauglich. Nur die Motorleistung war zunächst noch zu gering.

Der erste öffentliche Auftritt des Wagens fand am 3. 7. 1886 statt. Von einer Vorführung auf der Münchener Gewerbeausstellung im Jahr 1888 versprach sich Benz Absatzmöglichkeiten. Doch in Deutschland konnte zunächst kein einziger Wagen abgesetzt werden. Alle Fahrzeuge wurden bis dahin ins Ausland verkauft. Gerade durch die Fahrten durch München merkte Benz, dass das Kreiselmoment keinen Einfluß auf die Richtungsstabilität des Fahrzeugs hatte. Ab da wurde die Kurbelwelle horizontal, quer zur Fahrtrichtung eingebaut und die Riemenscheiben auf der Kurbelwelle angebracht. Wegweisend waren Schwimmervergaser, Kondensationsrohre für die Verdampfungskühlung und die Achsschenkellenkung mit der bis heute gültigen Lenkgeometrie (DRP 73512), welche in den neuen vierrädrigen Fahrzeugen “Viktoria” und “Velo” Anwendung fanden. Durch sein Mischventil, welches das überfettete Gemisch mit Nebenluft anreicherte, konnte man die Leistung steuern und das System wurde “brandsicherer” (DRP 43638). Schon im Jahr 1893 wurde ein Wagen mit 5 PS-Motor ausgerüstet. Das kleinere vierrädrige Modell “Velo” kostete etwa 2000 Mark. Von Oktober 1894 bis Oktober 1895 wurden schon 125 Wagen verkauft, allerdings nach wie vor vor allem ins Ausland, insbesondere nach Frankreich.

Benz Patent-Motorwagen Victoria Vis-a-Vis Baujahr 1893

Benz Velo-Comfortable, Baujahr 1895, Wien

Benz Victoria Vis-a-Vis mit 3 PS Baujahr 1893, Wien

Benz Velo-Comfortable 2 PS Baujahr 1895, Wien

Um die Jahrhundertwende ließ der Absatz nach, denn die Kunden verlangten immer schnellere Fahrzeuge. Maybach hatte mit dem Mercedes Maßstäbe gesetzt. Die Teilhaber der Firma stellten den französischen Konstrukteur Barbarou ein. Carl Benz konnte sich damit nicht abfinden und trat auch aus dieser von ihm gegründeten Firma aus.

Quellen:  Neuerungen an Gasmaschinen, Polytechnisches Journal 247, 1883, J. G. Cotta, Stuttgart, Seite 145 – 153
               Neue Erdölkraftmaschinen. Polytechnisches Journal 303, 1897, Verlag J. G. Cotta, Stuttgart, Seite 246 – 251
               Dr. Peter Kirchberg, Oldtimer Autos von einst, Urania Verlag, Leipzig Jena Berlin, 1974
               Wolfgang Roediger, Hundert Jahre Automobil, Urania Verlag, Leipzig Jena Berlin, 2. Auflage 1988,                                                               Site der University of Cambridge: http://www3.eng.cam.ac.uk/DesignOffice/projects/cecil/engine.html                                                   https://de.wikipedia.org/wiki/Eugenio_Barsanti                                                                                                                                       F. Sass, Die Geschichte des deutschen Verbrennungsmotorenbaus, Springer-Verlag Berlin-Heidelberg 1962                                                  Benz, Carl Friedrich, Lebensfahrt eines deutschen Erfinders, Koehler & Amelang, Leipzig, 1925 (Erstdruck)