Schon kurz nach dem Start der Produktion des W 50 in Ludwigsfelde wurden Im VEB Motorenwerk Nordhausen verschiedenen Fünf- und Sechszylindermotoren entwickelt und etliche Versuchsmotore gebaut. Denn der W 50 war für den Nah- und Verteilerverkehr entwickelt worden und so für Anhängerbetrieb auf längeren Strecken untermotorisiert. Man muss an die Struktur des Verkehrswesens in dieser Zeit erinnern, die vorsah, dass längere Transportstrecken mit der Bahn bewerkstelligt werden sollten – eine im Prinzip energiesparende und umweltfreundliche Herangehensweise. Auch wurde innerhalb des RGW entschieden, dass in der DDR nur LKW bis 5 Tonnen Nutzmasse hergestellt werden sollten. Dennoch tat ein potenter Motor not, denn inzwischen gab es den W 50 auch als Sattelzugmaschine. Von 1965 bis 1967 wurden deshalb neben dem langhubigen Vierzylinder mit 145 mm Hub und 120 mm Bohrung ein leichter geneigter Sechszylinder mit kürzerem Hub entwickelt, der als Saugmotor mit M-Verfahren aus etwa dem gleichen Hubraum wie der W 50-Motor 150 PS Leistung, bei gleichem Motorgewicht entwickelte. Insgesamt gab es drei Generationen von neuen Motoren. Mehr dazu hier

Von 1971 bis 1975 wurden verschiedene Fahrgestelle mit drei Achsen und Allradantrieb, oder zwei Achsen hier dann meist für Standartantrieb, für eine Nutzlast meist von sechs Tonnen als Prototypen in Ludwigsfelde gebaut. Das Designerduo Rudolph & Dietel schuf dazu verschiedene Design-Entwürfe. Die Fahrerhäuser wurden in Zusammenarbeit mit Robur in Zittau gefertigt, denn auch hier sollte eine neue Generation von Nutzfahrzeugen für die Gesamtmasse von 7,5 Tonnen entstehen. Es wurden etliche Prototypen als Militärfahrzeug mit der Antriebsformel 6 x 6, Sattelzugmaschine 4 x 4 und 4 x 2-Pritschen-, Koffer- und Kühlfahrzeuge sowohl mit den futuristischen Kabinen von Rudolph & Dietel (auch als langes Fernfahrerhaus), sowie versuchsweise Fahrerhäusern von Volvo gebaut. Doch die DDR war in eine neue Phase eingetreten, die eine wirtschaftlich schädliche Zeit einläutete. Erich Honecker hatte Walter Ulbricht mit seiner ambitionierten Wirtschaftspolitik abgelöst. Eine Zäsur stellte der VIII. Parteitag der SED dar, der mehr Konsumtion für die Werktätigen forderte. Das klang erstmal gut, bedeutete aber weniger Investitionen. Eine Verstaatlichungswelle kastrierte regelrecht den bis dahin noch existierenden sehr potenten Mittelstand – nicht nur bei Konsumgütern. Die Folge war Stagnation in fast allen Entwicklungen. Von ein paar neuen Modellen bei Simson und MZ abgesehen, gab es keine neue Konstruktion im Fahrzeugbau mehr, die in die Produktion gelangte. Prototypen wurden vernichtet. Die Ingenieure arbeiteten im wesentlichen für den Papierkorb. Die Verhinderung der Patentierung und Serieneinführung des ersten Common-Rail-Diesels der Welt in Nordhausen ist ein unentschuldbares Totalversagen der SED-Wirtschaftslenker. Es wurde durch völlige Inkompetenz verursacht und sollte zukünftige Politiker mahnen.

Lang getestet und doch nicht in die Serie überführt: 6 VD 12,5/12 GRF Dieselmotor MN 106 mit Getriebe

Einspritzdüsen und Hochdruck-Verteiler des Common-Rail-Diesel-Versuchsmotors IFA-Museum Nordhausen

Hochdruckpumpe des Nordhausener Ur-Common- Rail-Diesels der in einem W 50 getestet wurde.

Dieselmotor 6 VD 13,5/12 für den L 60 im  IFA-Museum Nordhausen

So traf in der Mitte der achtziger Jahre die massiv ansteigende Zahl der Ausreiseanträge auf die Ideen von Glasnost und Perestroika aus dem Osten. Erich Honecker zeigte sich plötzlich in der Aktuellen Kamera bei privaten Bäckern und anderen Handwerksmeistern. Das Signal; “Ihr werden nicht verstaatlicht, wir brauchen euch!”, wurde wie auch Gorbatschows Ideen von einigen Entwicklungsingenieuren nun so interpretiert; “Wir dürften oder sollten wieder!” Im April 1987 war es soweit; der erste neue Sechszylinder-Diesel in Nordhausen mit zahlreichen Neuerungen, wie Eisenkolben aus Sphäroguss (Kugelgraphit), wurde in Serie produziert. Auch in Ludwigsfelde hatte man schon “mit den Hufen gescharrt”. Statt, wie beim ADK 125, Achsen aus Raab (Ungarn) zu verwenden, hatte mam Ähnliche aber etwas Leichtere mit Planetenvorgelege statt Stirnradvorgelegen – wie beim Vorgänger W 50 – geschaffen. Das neue Fahrgestell für sechs Tonnen Nutzlast war fertig, nun wieder verwindungssteif und hatte ein Getriebe mit Vorschaltgruppe, acht Vorwärtsgänge, plus Crawler. In Anbetracht der Export-Hauptzielgruppe hatte man zunächst 4 x 4 Allradfahrzeuge mit Niederdruck oder Normalbereifung (hinten Zwillingsräder) in die Serienproduktion in Ludwigsfelde genommen. Die futuristischen Kabinenentwürfe von Rudolph & Dietel wurden nicht realisiert. Die Form des W 50-Fahrerhauses wurde beim nun kippbaren Haus des L 60 beibehalten. Da der neue Sechszylinder sehr niedrig baute, war im Haus nun auch jede Menge Platz. Die Serienproduktion begann 1987 mit Allradversionen meist mit Stahlpritsche und kurzem Radstand von 3300mm, etwa zu dem Zeitpunkt, als bereits der 500.000 ste W 50 produziert worden war – im übrigen zum überwiegenden Teil für den Export. Die neuen robusten Laster waren für große Steigfähigkeit und Haltbarkeit ausgelegt. Der Saugdiesel mit 180 PS aus 9 Litern Hubraum hatte mit dem Sechstonner keine Mühe. 

L 60 Pritsche Hamburger Verdeck AGRA 2023

IFA L 60 4 x 4 mit GFK-Wechselkoffer

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