Wartburg 353 (1966-89)

Schon im Jahr 1962 hatte Designer Clauss Dietel eine PKW- Studie mit Vollheck entworfen. Daraus wurde nun zunächst eine viertürige Limousinen-Karosse entwickelt, die ab 1966 auf das schon in Serie laufende Schraubenfeder-Fahrgestell, das nun ein neu konstruiertes Getriebe hatte, montiert wurde. Die Einführung des neuen Wartburg, der für den Export in einige westeuropäische Staaten “Wartburg-Knight” (Ritter) genannt wurde, erfolgte so ebenfalls ohne nennenswerte Produktionsunterbrechung. Ab 1968 wurde im VEB Karosseriewerk Halle die Kombi-Variante “Wartburg Tourist” gebaut. Ab Mai 1969 leistete der modellgepflegte Motor 50 PS. Die Verdichtung der Motoren war etwas erhöht worden und man musste nun VK 88 (88 Oktan) tanken. Dafür sank das Mischungsverhältnis von 1 : 33 auf 1 : 50. Im Jahr 1972 waren Entwürfe eines weiteren Viertaktmotors für die Wartburg-PKW fertig, Versuchsmuster gebaut und erprobt worden. Wie schon der vorherige Entwurf, ein Vierzylinder-Boxer (ca. 1962), hätte der Reihenmotor AWE 1600 (Prototyp 400) mit 82 PS Leistung ohne größere Veränderungen an Karosse und Fahrgestell in den Wartburg eingebaut werden können. Nach Diskussion im RGW wurde vom Politbüro der SED die Einführung in die Serienfertigung negativ beschieden. Der Wartburg wurde lediglich weiter modellgepflegt und verlor Abnehmer im Ausland. Durch die durch steigende Löhne immer größer werdende Nachfrage im Inland und infolgedessen rapide ansteigende Wartezeiten, war aber die Produktion sowieso für viele Jahre quasi im Voraus ausverkauft. Ab März 1975 kennzeichnete ein W in der Typenbezeichnung weitere Modifikationen, wie die Einführung der Scheibenbremsanlage. Durch Verbau von tschechischen Vergasern der Firma Jikov ab 1982 und etwas später, der Verlegung des Kühlers vor den Motor, stieg die Motorleistung auf 55 PS. Auch nach der Einführung des Wartburg 1.3 im Jahr 1988 wurden noch bis zur Wende einige Zweitakter gefertigt. Sie waren wesentlich preiswerter als die Wagen mit Viertakt-Motor. Von 1966 bis 1989 wurden 1.225.190 Stück Wartburg 353 und 353 W, einschließlich des Tourist, gebaut.

Früher Wartburg 353 de Luxe am Start zur Oldtimerfahrt "Curbuci Veterano" in Köthen 2009

Früher Wartburg 353 de Luxe am Start zur Oldtimerfahrt “Curbuci Veterano” in Köthen 2009

Wartburg 353 W mit mehr als einer Million gefahrener Kilometer bei einer Veteranenveranstaltung bei Torgau

Wartburg 353 W mit mehr als einer Million gefahrener Kilometer bei einer Veteranenveranstaltung bei Torgau

Wartburg 353 Tourist bei der Oldtema in Halle, 2017

Wartburg 353 Tourist bei der Oldtema in Halle, 2017

Wartburg 400 Kübel bei der Oldtema in Halle

Wartburg 400 Kübel bei der Oldtema in Halle

Wartburg 355 Coupé in der Automobilen Welt Eisenach

Wartburg 355 Coupé  Prototyp in der Automobilen Welt Eisenach

 

Wartburg 353 Pickup beim IFA-Nutzfahrzeugtreffen in Werdau, 2019

Wartburg 1.3  (1988 – 91)

Schon kurz nach dem Serienstart des Wartburg 353, Ende der sechziger Jahre, wurden weitere neue Typen konstruiert und in Versuchsmustern gebaut. Sie würden ungemein verblüfft sein, wie sehr die Fließheck-Wartburg 355 dem 1973 erstmals vorgestellten VW-Passat (B 1, “Ur-Passat”) ähneln. Es gab eine Gemeinschaftsentwicklung mit dem VEB Sachsenring Zwickau, den Wartburg 760, die möglicherweise zurecht abgelehnt wurde und einen Wartburg 360, der recht gelungen schien, aber durch seinen neuen Viertaktmotor und die selbsttragende Karosse hohe Investitionen erfordert hätte. Das lehnten die Genossen ab. Der Zweitakt-Wartburg war ja auch so für Jahre ausverkauft. Lange Zeit wurde an einem “RGW-Auto” herumkonstruiert. Für diesen 610 M sollten Viertaktmotoren bei Skoda in Mlada Boleslav und Getriebe und Gelenkwellen in einem neuen Werk in Eisenach-West gebaut werden. Die PKW auf weitgehend vereinheitlichten Fahrgestellen sollten als neue Trabant, Wartburg und Skoda auf den Markt kommen. Die Ministerpräsidenten Willy Stoph (DDR) und Gusatav Husak (CSSR) besiegelten 1977 das Aus für dieses Projekt. Die Mittel für die Investitionen erschienen zu hoch, die Koordination der Planwirtschaften als zu schwierig.

Auf dem für das neue RGW-Getriebewerk vorgesehene Gelände in Eisenach-West wurde nun ein neues Werk für die Fertigung der Blechteile geplant. Es entstand ein Werk mit 4 Pressenstrassen um die Produktionszahlen des Wartburg zu steigern und die Wartezeiten wieder zu verringern. Das Hauptwerk konnte nicht erweitert werden, da es nah der Innenstadt zwischen Eisenbahntrasse und dem Fluß Hörsel keinen Platz mehr gab. Die Erweiterung der Produktion der Fahrgestelle erfolgte nun in Gotha, was einen hohen Transportaufwand zur Folge hatte. Ab 1981 wurde ein Viertaktmotor mit drei Zylindern entwickelt, der mit den Produktionsanlagen des Vorgängers hätte gebaut werden können und ohne größere Änderungen in den Wartburg 353 hineinpasste. Doch die Partei- und Staatsführung entschied sich gegen diese Alternative.

Prototyp 610 M/1, Baujahr 1978 in der Automobilen Welt Eisenach

Prototyp 610 M/1, Baujahr 1978 in der Automobilen Welt Eisenach

Prototyp Dreizylindermotor 234, 1191ccm 60 PS

Prototyp Dreizylindermotor 234, 1191ccm 60 PS

Prototyp Wartburg-Tourist mit längs eingebautem VW-Motor in der Automobilen Welt Eisenach

Prototyp Wartburg-Tourist mit längs eingebautem VW-Motor in der Automobilen Welt Eisenach

Wartburg 1.3 Tourenwagen beim ADMV Classic Cup in Köthen, 2015

Wartburg 1.3 Tourenwagen beim ADMV Classic Cup in Köthen, 2015

Wartburg 1.3 mit Wohnwagen "Intercamp" beim Trabitreffen in Podelwitz, Sachsen, 2016 

Wartburg 1.3 mit Wohnwagen “Intercamp” beim Trabitreffen in Podelwitz, Sachsen, 2016 

Antriebseinheit Wartburg 1.3 in der Automobilen Welt Eisenach

Antriebseinheit Wartburg 1.3 in der Automobilen Welt Eisenach

Im Jahr 1977 war ein bemerkenswertes Tauschgeschäft zwischen VW und dem Hauptanteilseigner Niedersachsen auf der einen und dem Wirtschaftsministerium der DDR auf der anderen Seite zustande gekommen. Die Pressen für die Karosseriefertigung von VW wurden vom VEB Umformtechnik Erfurt geliefert und u.a. mit 10.000 PKW VW Golf bezahlt. Nach dessen Abwicklung kam eine neue Idee auf. Die DDR sollte Rumpf-Motoren für VW liefern und ein Teil der Motoren sollte für die eigenen Typen verwendet werden. So hoffte man, die Investitionskosten besser stemmen zu können. Die eigenen Motorenentwicklungen, die für den Wartburg passend waren, wurden endgültig verworfen. Der VW-Motor war aber für den Wartburg 353 zu groß. Die mit dem Spitznamen “Riesenschnauzer”betitelten Vorserienwagen mit dem längs eingebauten 1300ccm-VW-Motor wurden von Regierungsverantwortlichen abgelehnt. Der Motor sollte nun quer eingebaut werden. Dazu mussten die Fahrgestelle umkonstruiert werden und neue Getriebe und verschieden-lange Gelenkwellen gebaut werden. Die Fahrgestellfertigung in Gotha wurde mit enormen finanziellen Aufwand wieder umgebaut. Insgesamt wurden 4,3 Milliarden Mark in den Ausbau der Wartburg-Produktion (AWE) gesteckt. Rechnet man aber die Kosten für den Motorenbau in Chemnitz, die Gießerei in Leipzig und die neuen Getriebe und weitere Anpassungen für Trabant 1.1 sowie Viertakt-Barkas dazu, kommt man auf über 9 Milliarden, ein Vielfaches aller vorherigen Viertakt-Pläne einschließlich des RGW-Autos.

Der neue Typ mit VW-Motor hieß Wartburg 1.3 und wurde ab 1988 ausgeliefert. Der Motor leistete zunächst 58 PS ab Juli 1990 64 PS also etwa 20 PS weniger als der kompakte eisenacher Viertakter aus dem Jahr 1972. Die Karosse war aber im wesentlichen noch die Alte. Am 11. März 1990 wurde ein Joint-Venture zusammen mit der Opel AG gegründet. Zunächst hoffte man noch neue Wartburg-Modelle bauen zu können. Studien in Zusammenarbeit mit Irmscher und Karmann wurden nicht weiterentwickelt. Nach der Währungsunion brach die Nachfrage nach den Wartburg 1.3 schnell zusammen. Insgesamt sind in den Jahren 1988 bis 1991 von diesem Typ 152.775 Fahrzeuge gebaut worden. Auf den AWE-Gelände in Eisenach-West richtete Opel eine Fertigungsstraße für den Opel Vectra ein. Nach 95 Jahren erlosch die bedeutende Marke und die eigenständige Tradition des renomierten thüringer Unternehmens.

Ehemalige Produktionshalle im AWE Eisenach, 2017

Ehemalige Produktionshalle im AWE Eisenach, 2017

 

artburg 312-300 HT Cabrio, 312 Limousine, 211 "Eckheck"-Kombi und 353 Limousin v.l.n.r.

Wartburg 312-300 HT Cabrio, 312 Limousine, 211 “Eckheck”-Kombi und 353 Limousin v.l.n.r.

Quellen: Konrad von Freyberg, Die Ausstellung, Verein Automobilbau-Museum Eisenach e.V., Kuratorium, Eisenach, 2007                                                Suhr Christian, Das Messealbum, DDR-Motorindustrie im Spiegel der Leipziger Messe, Motorbuch Verlag, 2010