Form vollendet?
Aerodynamik im Automobildesign von 1945 bis heute
Ich war sehr gespant auf den zweiten Teil der Sonderausstellung zur Aerodynamik im Fahrzeugbau im August-Horch-Museum Zwickau und wurde nicht enttäuscht. Mit einigen Serienfahrzeugen wurde der Faden des ersten Teils wieder aufgenommen. IFA F 9 und DKW 91 gingen auf eine Entwicklung der Auto Union zurück. Die Prototypen dieses DKW 3 = 6 fuhren schon 1939 durch Sachsen. Ein ähnliches Konzept stellte Saab in Schweden auf die Beine. Der Saab 92 ebenfalls mit Dreizylinder-Zweitaktmotor hatte einen guten Cw-Wert von 0,35 und wurde ab 1950 in Serie produziert. Der “UrSaab” hatte sogar ein Luftwiderstandsbeiwert von nur 0,32 gehabt. Schon 1944 entworfen und 1948 in Paris vorgestellt wurde der Prototyp des Panhard Dynavia mit einem Cw-Wert von 0,26. Mit seinem kleinen Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor mit lediglich 28 PS erreichte er eine Höchstgeschwindigkeit von 131 km/h. Bei konstanten 80 km/h brauchte das Fahrzeug nur 3,5 Liter auf 100 Kilometer – und da sind wir beim Thema; dass eine strömungsgünstige Form höhere Geschwindigkeit und/oder geringeren Verbrauch ermöglicht. Die Ausstellung präsentiert dazu ein paar extreme Beispiele.
Gustav Adolf Baumm baute zusammen mit NSU den “fliegenden Liegestuhl”. Mit einem seriennahen Motor des Mopeds NSU-Quickly mit lediglich 3,4 PS erreichte das Fahrzeug eine Geschwindigkeit von 127 Kilometern in der Stunde. Interessant ist auch der Diesel-Rekordwagen von Opel. In ein Fahrgestell des Opel GT wurde ein Turbodieselmotor eingebaut. In einem 50-Stunden-Test bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 191 km/h sollte dieser “Heizölexpress” den Dieselmotor im PKW populärer und attraktiver machen. Dies gelang. Vermutlich das Kraftfahrzeug mit dem geringsten Kraftstoffverbrauch war wohl das VW-Sparmobil aus dem Jahr 1982. Sein kleiner Dieselmotor leistete 0,27 PS und brachte das 28kg-leichte Gefährt auf etwa 30 km/h. Mit einer leichten Fahrerin legte es bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 25 km/h mit einem Liter Kraftstoff eine Strecke von 1491 Kilometer zurück. Ja, es gab tatsächlich eine Zeit, in der VW wegweisende vernünftige Fahrzeuge entwickeln wollte. Aus dieser Zeit stammt auch die 1-Liter-Studie VW XL1. Der Wagen wog nur 290 Kilogramm und hatte einen kleinen Dieselmotor mit 299ccm und 8,5 PS. Durch den extrem geringen Cw-Wert von 0,159 lag der Verbrauch bei einem Liter auf hundert Kilometer.
Über Forschung im und am Windkanal in der DDR ist sicher vielen Menschen eher wenig bekannt. Dem Trabant und dem Wartburg 353 wurde im Volksmund die Windschnittigkeit einer Schrankwand zugeschrieben. Diese Typen wurden aber in einer Zeit konstruiert, in der auch in anderen Ländern ein Übergang zu kantigen Formen vollzogen worden war. Typische Vertreter dieser Zeit waren beispielsweise der VW K 70 oder der Renault 16. Es gab in der DDR zwei Windkanäle, mit denen auch tatsächlich Forschungs- und Entwicklungsarbeit geleistet wurde. Seit 1958 gab es in Dresden-Klotzsche einen großen Niedergeschwindigkeits-Kanal Göttinger Bauart mit Windgeschwindigkeiten bis 220 km/h. Nach der Einstellung des Flugzeugbaus wurde er von der Fahrzeugindustrie genutzt. Ein weiterer kleinerer Kanal wurde von der Ingenieurschule Dresden ebenfalls nach Klotzsche umgesetzt, um die Forschung dort zu konzentrieren. So wurden beispielsweise Windleiteinrichtungen für Nutzfahrzeuge entwickelt und Verkleidungen für die MZ-Rennmaschinen und verschiedene Rennwagen optimiert. Die verschiedenen Prognose- bzw. RGW-PKW-Modelle wurden hier ausgiebig untersucht. Einige Beispiele von Windkanal-Modellen sind in der Ausstellung zu sehen. Ein ganz besonderes Ausstellungstück ist das Rovomobil 2, das 1976 von Prof.Dr. Eberhard Scharnowski und Prof. Dr. Klaus Arndt mit Studenten an der Hochschule für industrielle Formgestaltung in Halle gebaut wurde. Wie sein Vorgänger aus 1973 basiert es auf der Technik des VW-Käfer. Mit dessen lediglich 54 PS erreichte es 155 Kilometer in der Stunde. Nach der Wende wurde es “spasseshalber” im Windkanal vom VW getestet. Sein dort festgestellter Cw-Wert von 0,23 war sensationell und der Zeit weit voraus. Ein paar Windkanal-Modelle zeigen, wie die Nachfolger des Trabant 1.1 hätten aussehen können …. wenn nicht … hätte, hätte Mopedkette …
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