Automobilrennsport in der DDR
Eine Ausstellung im Museum für sächsische Fahrzeuge Chemnitz
Seit dem 12.11.2023 ist im vereinsgeführten Museum eine Ausstellung zum Thema Automobilrennsport in der DDR zu sehen. Bei deren Konzeption wirkte maßgeblich Jens Conrad mit, der mir durch die Publikation über die Auto-Union Silberpfeile und durch seine wunderbaren Grafiken in Hendrik Medrows Buch “Von Könnern, Machern und Legenden” schon bekannt war. Am 28. Januar besuchte ich eine öffentliche Führung durch diese Ausstellung. Leider bemerkte ich den Hinweis auf eine Anmeldung auf der Homepage dazu zu spät, fuhr aber trotzdem hin. Mehr als 80 Besucher waren gekommen. Es wurde eng. Obwohl unangemeldet konnte ich dennoch an der Führung teilnehmen. Jens Conrad erläuterte zunächst an einer riesigen Grafik in Form eines Zeitstrahls die verschiedenen Epochen des Automobilsports in der DDR. Dann übernahm Frieder Jürgen Rädlein und berichtete vom Wiederauffinden des sechzig Jahre lang verschollenen ersten Formel Junior-Rennwagen von Heinz Melkus. Das Fahrzeug mit 900ccm-Wartburgmotor und etwa 65 PS ist fahrbereit und in fast allen Teilen original. Sein Vater war ein wichtiger Mitstreiter in der “Melkus-Truppe”. Wie dieser Melkus 59 sind alle Ausstellungsstücke besondere Fahrzeuge mit besonderer Geschichte und typisch für die jeweilige Epoche. Die interessanten Ausführungen von Marco Brauer über den Melkus RS 1000 im allgemeinen und seinen Melkus mit zwei gekoppelten Wartburg-Motoren im Besonderen erläuterten u.a. auch die Schwierigkeiten der Herstellung eines Rennsportwagens im System der sozialistischen Planwirtschaft. Marco Brauer betreibt das Wartburg-Museum in Dornburg. Die kleine private Melkus KG stellte nach 101 Exemplaren im Jahr 1979 die Produktion der bildschönen Autos ein.
Die RS 1000 fuhren in der Klasse B6. Nach einiger Zeit tauchten schnelle tschechische Konstruktionen mit extrem flacher Karosse auf. Melkus und andere namen nun ebenfalls solche, in der DDR “Spyder” genannten, Konstruktionen in Angriff. Eine der Bemerkenswertesten ist wohl der Spyder in Monocoque-Bauweise von Helmut Tschernoster, der zunächst mit einem Dacia-Motor ausgerüstet war. “Rennamazone” Helga Heinrich konnte mit diesem Langhuber aber nicht mit den agilen Zweitaktern mithalten und kehrte wieder zu einer Konstruktion mit Wartburg-Motor zurück. Danach wurde ein Bulgar-Alpine-Motor eingebaut, kam aber in der Meisterschaft nicht mehr zum Zuge, da sie nicht mehr ausgetragen wurde. Die Formelrennwagen von Hartmut Thaßler sowie die der Gruppe um die Familie Melkus sind einigermaßen bekannt. Bei Veranstaltungen des Rennsports mit historischen Fahrzeugen sind regelmäßig MT 77 (Melkus/Thaßler) und manchmal auch der ein- oder andere HTS (Hartmut Thaßler/Shiguli) zu sehen, doch die Rennwagen der Sozialistische Entwicklungs-Gemeinschaft SEG machen sich sehr rar. Ab und zu dreht ein SEG II pilotiert von Christian Ernst in Schleiz seine Runden. Insider wissen eventuell von der Restauration eines weitern SEG II in der Werkstatt von Ralf Schaum. Die SEG I sind alle zerstört. Um so schöner ist es, das Exponat eines SEG III in der Ausstellung zu sehen. Der erste Wagen der dritten SEG-Generation wurde von Dietmar Graupner 1974 an den Start gebracht. Er hat einen Lada-Motor und ein Getriebe auf Basis Saporoshez, allerdings mit fünf Gängen. In der Ausstellung darf natürlich ein MT 77 nicht fehlen. Es ist das Fahrzeug, mit dem Heiner Lindner 1978 und 1979 DDR-Meister wurde. Heute wird es von Tobias Worm bei historischen Veranstaltungen beispielsweise der HAIGO gefahren.
Der Trabant von Klaus Schumann mit der Startnummer 5 ist öfters bei Veranstaltungen zu sehen. Sein ehemaliger Mechaniker Wolfgang Hirche fährt ihn seit einiger Zeit. Ein weiterer Trabant des mehrfachen DDR-Meisters steht in der Ausstellung. Der Vorgänger der “5” hat auch schon etwa 70 PS. Ebenfalls mit einem Trabant-Motor ist ein B8 mit HTS-Fahrgestell ausgerüstet, mit dem Kai Kögler Zweiter der DDR-Bestenermittlung im Jahr 1986 wurde. Zum Bestand des Museums gehört der von Frieder Bach restaurierte F8 Rennwagen. Er ist einer der vier im Winter 1948/49 entstandenen Renner der Rennsportgemeinschaft Zwickau. Die sehenswerte Ausstellung kann noch bis zum 28. 4. 2024 besucht werden. Die Dauerausstellung ist ebenfalls um einige äußerst interessante Exponate reicher geworden. Eine Glanzstück sächsischer Ingenieure ist zweifellos die DKW mit Zweizylinder-Gegenkolbenmotor mit Kompressoraufladung. Die vier Kolben treiben über vier Pleuel zwei Kurbelwellen an, die sich entgegengesetzt an beiden Enden des Motors befinden. Mit dieser Höllenmaschine siegte der Braunschweiger Kurt Kuhnke 1950 überlegen auf der Dessauer Autobahnrennstrecke. In den fünfziger Jahren starteten Deutsche regelmäßig in beiden Staaten. Eines der ältesten in Sachsen hergestellten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor dürfte das Motordreirad Cyclon aus dem Jahr 1899 sein. Ein Besuch des Museums lohnt sich auf jedem Fall.
Kommentare
Automobilrennsport in der DDR — Keine Kommentare
HTML tags allowed in your comment: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>