Vom Wankel- bis zum Viertaktmotor
Notizen zu einem Fachvortrag von Dr. Günter Karl im Schloss Wildeck Zschopau am 17. Juni 2022
MZ ist wohl für die meisten Menschen ein Synonym für Motorräder mit Zweitaktmotoren. Man könnte die Technologie des Zweitakters als eine Art Tradition ansehen, die man von DKW geerbt und weiter kultiviert hat. So blieb man zumindest zeitweise größter Motorradproduzent der Welt und war im Motorsport insgesamt 80 Jahre lang international erfolgreich. Das haben die Japaner bis dato noch nicht geschlagen. Die wenigsten Menschen aber wissen, was alles in der Entwicklungsabteilung auf dem Reißbrett und auf dem Motorenprüfstand zu finden war. Dr. Günter Karl, der dabei selbst involviert war, gab am 17.6. im Grünen Saal des Schlosses Wildeck einen Einblick. Er begann mit einem Abriss der Geschichte der Entwicklung der Wankelmotoren in Zschopau.
Mitarbeiter der Firma NSU stellen am 19. 1. 1960 ihren ersten Wankelmotor bei einem Symposium am Deutschen Museum vor. Dabei waren Vertreter des VVB Automobilbau der DDR zugegen. Kurz darauf wurde in Zschopau eine erste Arbeitsgruppe unter der Leitung von Herbert Friedrich gegründet, die schon Ende April des gleichen Jahres einen ersten Versuchsmotor auf den Prüfstand schraubte. Da es noch keine Bearbeitungsmaschinen für die seltsame Brennraumform gab, wurde sein erstes Gehäuse quasi nach dem „Prinzip Lokofeilowitzsch“ aus einem Grauguß-Block gefräst und geschabt. Das seltsame 110ccm kleine Ding leistete zunächst etwa 5 PS. Dr. Karl berichtet: “Diese ersten Läufe zeigten, man muss was ändern und das haben die Kollegen dann auch sofort getan.“ Die Ingenieure legten nun los, Einlaß, Kühlung, Schmierung und Läuferabdichtung wurde angepasst, und bald hatte der KKM 117-5 etwa 20 PS auf dem Prüfstand. Man richtete einen Prototyp der BK 351 her, um den wasser- und ölgekühlten Kreisler einem Dauertest zu unterziehen. Man wollte den 117ccm kleinen Motor ordentlich belasten und so kam an die damals schwerste MZ noch ein Seitenwagen dran. So hatte MZ im August 1961 das erste Motorrad mit Kreiskolbenmotor der Welt auf die Räder gestellt. Der Motor wurde längere Zeit getestet war leistungsfähig und lief problemlos.
Ein nächster Ansatz war die Fragestellung, ob man den Motor auch ohne Wasserkühlung bauen könnte. Ein Versuchsmotor mit 175ccm leistete 24PS. Bei der Erprobung in einer ES 250/2 stellte sich heraus, das die Verrippung des Motors für die Fahrtwindkühlung bei langer Vollast nicht ausreichte. Ein verbesserter Hochleistung-Motor wurde vorbereitet, aber der VVB Automobilbau befahl 1965 das Ende der Entwicklungsarbeit an KKM für Motorräder. Der Hintergrund war, dass der VVB die Lizenz von NSU erworben hatte und KKM mit einem Läufer, 550ccm für den Trabant sowie mit zwei Läufern und 1100ccm für den Wartburg bauen wollte. MZ hatte das know how und vor allem die Bearbeitungsmaschinen. Deshalb sollten die Zschopauer bei dieser Entwicklung mitarbeiten. „Es gab bei MZ zwanzig Motoren, die auf dem Prüfstand untersucht wurden.“ Doch auch hier wurde die eigentlich erfolgreiche Entwicklung jäh beendet.“Trotz mancher Schwierigkeiten ist es doch dieser kleinen Gruppe gelungen, in kurzer Zeit was auf die Beine zu stellen und die Mitarbeiter haben wirklich mit erzgebirgschen Erfindergeist und Tatendrang tolle Ergebnisse erreicht, die unter Beachtung der technischen und politischen Rahmenbedingungen nicht hoch genug eingeschätzt werden können,“ resümierte Dr. Karl.
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Der Einheitsmotor EM
Für die neue Motorenreihe EM war eine Palette von 125 bis 200ccm später auch größer und mit 2 Zylindern geplant. Die Motoren sollten Getrenntschmierung, also eine Öldosierpumpe, haben und wahlweise mit Anlasser lieferbar sein. Das technologisch Neue war die horizontale Teilung des Motor- und Getriebegehäuses. Alle Wellen befanden sich also auf einer Ebene. Es wurden insgesamt 54 Motoren mit verschiedenen Hubräumen, Steuerzeiten und Zylinderformen getestet. Dazu gab es umfangreiche Untersuchungen der Spülvorgänge, Spülstromgeschwindigkeiten, Drücke, Verbräuche und Abgaswerte. Der erste Motor war 1967 auf dem Prüfstand. Im Jahr 1971 wies ein 250ccm-Motor mit 4 Überströmkanälen 22 PS und in fast allen Belangen bessere Werte als die bisherigen auf. Dr. Karl schätzte ein,“Man hätte international richtig gut punkten können, aber die geänderte Motorkonstruktion hätte neue Maschinen erfordert, eine komplett neue Montage und damit Investitionsmittel. Und auch die Zulieferer hätten etwas tun müssen und so ist es wieder, dass diese Baureihe am Ende an den politischen Rahmenbedingungen und an falschen Vorstellungen am technischen Wettbewerb gescheitert ist“
Neue Aufgabe: Direkteinspritzung
„Gegen Ende der siebziger Jahre war klar, es wird eine Abgasgesetzgebung kommen,“ beginnt Dr. Karl den neuen Abschnitt des Vortrages und erklärt kurz die Spülverluste, „deshalb hat man gesagt, da müssen wir ran, das müssen wir vermeiden und damit ist man zur Direkteinspritzung gekommen.“ Mit importierten Pumpen und Düsen konnte bei gleicher Leistung der Verbrauch um 18 Prozent und die Emissionen stark reduziert werden. Die Fertigung dieser Pumpen und Düsen konnte mit den Zulieferern aus der DDR aber nicht realisiert werden. So wurde an der Hochschule Zwickau die Entwicklung der Druckstoßeinspritzung begonnen. Besonders im Teillastbereich war der Motor wesentlich besser und vergleichbar mit Viertaktmotoren jener Zeit. Die Serieneinführung scheiterte diesmal an Kostenabwägungen. Die Bauteile der Druckstoßeinspritzung kosteten zusammen 968 Mark der Vergaser nur 42. Daraufhin wurde das System zu einer kompakten Einheit zusammengefasst, aber es kam trotzdem nicht in die Serie. Der Entwickler Dr. Heimberg ging nach der Wende zur westdeutschen Firma Ficht. Dort wurde das Verfahren zur Serienreife entwickelt und Dr. Heimberg erhielt den Phillipp-Morris-Preis. Ab 1993 wurde die Technik dann in modernen Zweitakt-Bootsmotoren der amerikanischen Firma Evinrude verbaut, die damit auch die sehr strengen US-Abgasvorschriften einhalten konnte.
Neue Idee: Gemischeinspritzung
In den zwanziger Jahren wurde ein Verfahren zum Einpumpen eines Kraftstoff-Luftgemisches in den Brennraum beschrieben. Nach einem Neuerervorschlag begannen ab 1977 erste Untersuchungen. Dabei komprimiert der schlitzgesteuerte Arbeitszylinder nur Luft. Spülverluste sollten vermieden werden, in dem ein fettes Kraftstoffluftgemisch mit einem zweiten kleinen Zylinder in den Brennraum gedrückt wird, nachdem der Auslass des Großen bereits geschlossen ist. 1979 wurde ein Motor mit 250ccm und einem Gemisch-Ladesystem mit 12ccm gebaut, die Versuche dann aber an die Hochschule Zwickau und an die TU Dresden übergeben. Es wurden diverse Versionen auch auf der Straße getestet und man erreichte eine Kraftstoffeinsparung bis zu 30 und Emmissionsreduzierung bis zu 90 Prozent.
Neuer Ansatz: Assymetrische Steuerzeiten
Die Werksportabteilung verwendete schon seit einiger Zeit Membranen für die Einlaß-Steuerung, welche aus dem Ausland importiert wurden. Für die Serienproduktion kam ein solcher Import nicht in Frage. So wurde an Materialien für die Membran-Zungen geforscht. Membranen mit 8 Zungen aus speziellen hochlegierte Stahl liefen hoffnungsvoll im Dauertest. Es erwies sich aber, das die Auflage der Zungen nur mit Naturkautschuk hoher Qualität vulkanisiert werden konnten. Das Gummiwerk Berlin konnte diese Qualität nicht herstellen.
Untersuchungen an Auspuffanlagen
Ein geschachtelter Resonanzraum der 1 – 1,5 KW Leistungszuwachs und Materialeinsparung am Auspuff gebracht hätte, wurde nicht in die Serie übernommen. Yamaha wurde 1978 Weltmeister aufgrund einer „Power-Valve-System“ genannten Vorrichtung zur Steuerung der Auslass-Öffnung. Schon 1954 hatte Herbert Friedrich ebenfalls einen kleinen Drehschieber am Auslaß konstruiert. Ein solcher Schieber wurde ab 1985 bei den Werks-Enduros eingesetzt. In die Serie gelangte er nicht, weil man sich inzwischen eher in Richtung eines Viertaktmotors orientieren wollte.
Alternative 4-Taktmotor
Schon 1979 gab es vom Kombinat einen Auftrag zur Entwicklung und Erprobung von Viertaktmotoren. Es gab verschieden Entwürfe aber auch ein unglaubliches Hin- und Her der Entscheider, so das MZ die Entwicklungen abbrach. Im Jahr 1987 gab es dann einen Neustart, allerdings auf Sparflamme. Es wurde zunächst ein Einzylinder mit vier Ventilen und 250ccm konstruiert. Inzwischen gab es in der real existierenden Planwirtschaft Schwierigkeiten überhaupt Zulieferer zu finden, die technologisch in der Lage waren, bestimmte Bauteile zu fertigen. Der erste Prototyp des Motors wurde etwa zur Wende erfolgreich einem Dauerbetrieb unterzogen „Infolge der völligen Ungewissheit, wie es zur Wende weitergeht, insbesondere auch mit der Währungsumstellung, sind dann alle weiteren Entwicklungen und Versuche zu Erliegen gekommen. Es wurden keine Messungen oder Berichte mehr dokumentiert und so endete diese Phase ziemlich abrupt und ohne offiziellen Abschluß“, berichtet Dr. Karl. Für die steigende Nachfrage nach Viertaktern wurden nun zugekaufte Rotax-Motoren verbaut. Hier gelang noch einmal eine Premiere; das erste Serienmotorrad mit Katalysator.
Im Rahmen dieses Berichtes kann leider nur ein kleiner Teil der Informationen aufgeführt werden, die der Referent vortrug. Ich fand den Vortrag außergewöhnlich interessant. Bemerkenswert war auch die anschließende Diskussion des meist ebenfalls sachkundigen Publikums. Am Rande soll noch erwähnt sein, dass auf dem Parkplatz ein gutes Sortiment an MZ-Motorrädern, auch zwei der letzten Typen mit Viertaktern und ein NSU Ro 80 zu sehen war, der vom Besitzer auch mit offener Motorhaube vorgeführt wurde. Insgesamt eine tolle Veranstaltung
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