Die 57. Internationale Sechstagefahrt fand vom 20. bis 25. September in und um die tschechoslowakische Stadt Považská Bystrica am Rande der Mala Fatra statt. Damit wurde der Endurowettbewerb zum neunten Mal in der motorsportbegeisterten CSSR und zum zweiten mal in der Stadt, in der bis 1969 die Motorroller Manet und Tatran hergestellt wurden, ausgetragen. Das Werk gehörte später zum Hersteller Jawa. In der 80er Klasse waren diesmal tatsächlich neue Tatran-Geländemaschinen am Start, von denen aber keine das Ziel erreichte. Aus 15 Nationen mit 19 Verbänden der FIM hatten 307 Fahrer für die World Trophy und Silbervase genannt. Desweiteren waren 34 Fabrik- und 40 Club-Mannschaften angetreten. An jedem der ersten fünf Fahrtage mussten je zwei Motocross-Prüfungen und eine Beschleunigungsprüfung auf 200 Metern einer asphaltierten Straße absolviert werden.
Erster Tag
Bei angenehm warmen Wetter mussten zwei Runden mit insgesamt 276,4 Kilometer gefahren werden. Leider stürzte Bernd Lämmel mit seiner Simson schwer und wurde vom Mannschaftsleiter Manfred Vogel aus dem Rennen genommen. Damit kassierte die DDR-Trophy-Mannschaft jeden Tag 15 000 Strafpunkte und wurde weit zurückgeworfen. Auch das italienische Trophy-Team verlor einen Fahrer und somit die Hoffnung auf einen Sieg. An diesem Tag schieden 36 Fahrer aus und die CSSR führte sowohl in der Trophy, als auch in der Silbervasenwertung. Trotz guten Wetters und B-Zeit gab es schon für Einige deutliche Härten, wie einen sehr glitschigen Steilanstieg, der u.a. den Amerikaner Barry Higgins durch Zeitüberschreitung aus dem Rennen warf.
Zweiter und dritter Tag
Am dritten Tag wurde fast die gleiche Runde wie am Vortag gefahren, allerdings in umgekehrter Richtung. Die Gesamtdistanz der beiden Runden war aber durch eine Änderung auf 277 Kilometer gestiegen. Es gab – wie jeden Tag – zwei Cross- und eine Beschleunigungsprüfung. 15 Checkpoints d.h. Durchfahrts- und Zeitkontrollen waren zu passieren. In den vergangenen Jahren hatten vor allem die Italiener die Six Days dominiert. Bei den Veranstaltungen zählten vor allem die gefahrenen Zeiten in den Motocross-Prüfungen. In Považská Bystrica erwartete man, dass auch die Strecke, die Verbindungsetappen eine gewisse Härte aufwiesen und durch Zeitüberschreitungen und andere Schwierigkeiten der Wettbewerb vom “Langstrecken-Motocross” wieder zu seinem ursprünglichen Charakter zurückkommen würde. Mit dieser Einschätzung lag man richtig. Die Six Days entstanden als “reliability trial” als Zuverlässigkeitsprüfung. Es ging um Zuverlässigkeit und Teamgeist bei jeder Art von Wetter. Der Kurs hatte es schon bei gutem Wetter und B-Zeit in sich. An einer schwierigen Steilauffahrt stauten sich die Fahrer. Der Amerikaner Randy Mastin schlitterte mit seiner KTM über ein Brücke und stützte in einen Graben. Am Ende des 3. Tages führte die CSSR weiterhin in beiden wichtigen Wertungen.
Vierter Tag
Am vierten Tag fielen – ähnlich wie schon zur ISDE 1977 am Fünften – die Temperaturen und Regen setzte ein. Der Wettbewerb auf der 263,9 Kilometer langen Strecke wurde zu einer Schlammschlacht und es wurde C-Zeit angewandt. Doch auch die C-Zeit war für viele kaum zu schaffen. Manchmal waren es technische Probleme. Beim US-Amerikaner Chuck Miller hatte sich die Kette zwischen Rahmen und Abtriebsritzel so verkeilt, dass er versuchen musste, die ganze Schwinge auszubauen. Das schaffte er in der Karenzstunde nicht. Morrill Griffith verlor zu viel Zeit an mehreren schlammigen Auffahrten. Das Trophy-Team Hollands verlor zwei, die von Schweden und Österreich je ein Teammitglied. An diesem Tag schieden 66 Fahrer aus, darunter ein Mitglied des tschechoslowakischen Silbervasen-Teams. Nun lag die DDR-Vasenmannschaft an erster Stelle. Sie war neben der Finnischen die einzige, die noch die volle Besetzung hatte.
Fünfter Tag
Die Strecke vom Vortag musste mit einer kleinen Veränderung in umgekehrter Richtung befahren werden. Der Kurs war recht schwer. Von den ursprünglich 307 Fahrern waren an diesem Tag noch 174 gestartet. Nur 121 erreichten am späten Nachmittag das Ziel. Von den 25 Fahrern der USA waren noch 13 dabei. Wally Wilson flog bei einem Sturz mit hoher Geschwindigkeit über den Lenker und zerschmetterte sich den linken Arm. Spannend wurde es, als bei Scot Harden die Sekundärkette riss und er nach der Reparatur, kurz vor Ablauf der Karenzstunde, ins Ziel raste. Das Gleiche ereilte Horst Geißenhöhner vom DDR-Silbervasenteam, doch er konnte die Kette in nur 12 Minuten selbst reparieren. Bei den Trophy-Mannschaften hatten nur noch die CSSR, die USA und Frankreich beim Start am morgen ein vollständiges Team. Am Ende des Wettbewerbs konnte man ein bis dahin noch nicht aufgetretene Phänomen betrachten; kein Trophy-Team war mehr vollständig. Ein wahrer Krimi spielte sich am Abend bei den Sportkommissaren der Jury statt. Der tschechoslowakische Trophy-Fahrer Vladimir Janous war zunächst aus der Wertung genommen worden, da es Hinweise auf massive Regelverstöße gab. Er war nach Angaben mehrerer Fahrer aus der Strecke gefahren. Offenbar wurde unter unerlaubter Hilfe der Zylinder gewechselt. Es gab unterschiedliche Aussagen und die Beweislage schien zweifelhaft. Wäre er disqualifiziert worden, hätten die USA die Six Days Trophy gewonnen. In der Nacht wurde ohne den ostdeutschen Kommissar, der Magenprobleme vorgab und nicht an der Sitzung teilnahm, die Entscheidung getroffen, Janous in Wertung zu lassen. Ich kann die Geschehnisse nicht endgültig bewerten, aber es wirft einen Schatten auf die Veranstaltung.
Sechster Tag
Nach einer kurzen Etappe von 60 Kilometern Länge sollten beim Abschluss-Motocross die finalen Entscheidungen fallen. Durch eine bisher nur selten angewandte und und hier offensichtlich missbräuchlich angewandte Regel über Zeitüberschreitung beim Cross-Test, kassierten viele Fahrer, so beispielsweise die USA, Strafpunkte. Die Six Days Trophy gewann die Mannschaft der CSSR vor denen der USA und Frankreich. Die DDR wurde hier trotz des Ausfalls von Bernd Lämmel überraschend Vierter. Ganz unzweifelhaft ist der Sieg unserer Silbervasen-Mannschaft ein großer Erfolg. Finnland wurde hier Zweiter vor der CSSR und den USA. Bei den Fabrikmannschaften belegte MZ 1 mit Harald Sturm, Jochen Schützler und Jens Scheffler den ersten und MZ 2 mit Uwe Weber, Reinhard Klädtke und Frank Schubert den dritten Platz. Rolf Hübler konnte mit seiner Simson 125 den Klassensieg erringen. Frank Schubert wurde Dritter der Einzelwertung bei den 250ern. Bei den 500ern wurde Jochen Schützler Zweiter nach dem Schweden Jonsson und vor Jens Scheffler. Einen schalen Beigeschmack hinterließ die Abschlussfeier, wo für die 80 Mitglieder der USA-Mannschaften nur 22 Karten vergeben wurden, woraufhin alle Amerikaner nicht teilnahmen und ihre Karten zurückgaben. Auch die internationale Jury boykottierte die Abschlussveranstaltung. In seinem Buch über den Wettbewerb lässt Paul Clipper1 kein gutes Haar an den tschechischen “Offiziellen”. Allerdings enthält der Text auch etliche Ressentiments über die Zustände hinter dem “iron curtain”. Ich habe die letzten beiden Tage leider nicht selbst live miterlebt. Mein KU ging zu Ende und ich musste mich wieder zum Dienst in der NVA-Kaserne einfinden. Vereinskamerad Dieter Kleiner konnte bis zum Finale in der CSSR bleiben und mit seiner Praktika einiges dokumentieren.
Quellen: 1 Clipper, Paul; ISDE 1982 Považská Bystrica, Czechoslovakia – The Year the USA Almost Won, 2017 Hönel, Manfred; Nach 17 Jahren wieder Silbervase, Junge Welt, 27.9.1982 https://de.wikipedia.org/wiki/57. Internationale_Sechstagefahrt#bodyContent Van Voorhis, Garry; Czech-mate Six Days, American Motorcyclist A “no win” situation, Motorcycle Sport, Januar 1983