Erste Rennen 1949 und 1950

Auf der Autobahn A9 rund um die Anschlußstelle Dessau-Süd wurde kurz vor der Gründung der DDR eines der ersten Motorrad- und Autorennen im Osten durchgeführt. Es kamen über 100.000 Zuschauer, eine Zahl die heute kaum glaubhaft erscheint. Schon im Jahr 1938 war die Autobahn Berlin-Hirschberg bis einschließlich des Schkeuditzer Kreuzes fertiggestellt worden. In der Mitte der dreißiger Jahre gab es einen werbewirksamen Wettbewerb um Geschwindigkeitsrekorde, der zunächst von Briten, Franzosen und Italienern dominiert worden war. Unterstützt von Fördermitteln aber auch angetrieben von der Konkurrenzsituation konnten die miteinander wetteifernden Firmen Mercedes und Auto Union bald Paroli bieten. Auf der gerade fertiggestellten Autobahn, die auf einem 10 Kilometer langen Stück keinen Mittelstreifen hatte, stellt Rudolf Caracciola am 9.2.1939 mit 399,5 km/h einen neuen Weltrekord auf. Der Rekord blieb jedoch nicht lange in Deutschland. Mercedes reagierte darauf mit einem Rekordfahrzeug mit dem auf 3000 PS leistungsgesteigerten Flugzeugmotor DB 603-V3. Durch den Krieg wurde das Fahrzeug aber nicht mehr zum Einsatz gebracht. Nach zehn Jahren dröhnten am 4. 9. 1949 endlich wieder Rennmotoren. Neben bewährter Technik beispielsweise der Kompressor-DKW von Walfried Winkler, der die Klasse 250 Kubikzentimeter mit Kompressor oder Ladepumpe gewann, waren interessante Neuentwicklungen zu sehen. Erste IFA-DKW traten bei den 125ern gegen Puch und DKW an. Die schnellste Zeit erzielte Adolf Brudes mit dem futuristisch anmutende BMW S 1 der AWTOWELO AG Eisenach. In diesem Rennen bis 2000ccm belegte Arthur Rosenhammer mit einem Veritas den dritten Platz. Einen ersten Auftritt mit respektablem Schnitt hatte ein Prototyp des IFA F9. Am 30.9. und 1.10.1950 lud das 2. Dessauer Motorrad- und Autorennen Rennsportler aus ganz Deutschland zum Wettkampf ein. Wie im Vorjahr lag der Start einige Meter südlich der Auffahrt Dessau in Richtung Leipzig. Kurz hinter der Brücke, welche die Landstraße von Köthen nach Raguhn über die Autobahn führt, wendet sich die Strecke wieder auf die Richtungsfahrbahn Richtung Norden. Über die Brücke der Auffahrt Dessau-Süd führt die Bahn wieder zum Startplatz auf der Richtungsfahrbahn nach Süden. In der Klasse bis 250ccm mit Aufladung siegte der Braunschweiger Kurt Kuhnke mit seiner spektakulären Gegenkolbenmaschine nach hartem Zweikampf mit Walfried Winkler auf der Kompressor-DKW. Ernst Klodwig holte in der Formel II mit seinem neuen Mittelmotor-BMW den zweiten Platz. Bei den Sportwagen der Gruppe F (1500ccm) gewann zunächst der Münchener Dr. Ring, bevor er disqualifiziert wurde, weil sein Motor 2 Liter Hubraum hatte.

Gegenkolben-Rennmaschine mit 4 Kolben in 2 Zylindern sowie  2 Kurbelwellen von Kurt Kuhnke im Museum für sächsische Fahrzeuge Chemnitz

Ernst Chlodwig Formel 2 BMW beim Leipziger Stadtparkrennen 1951

Ernst Klodwig Formel 2 BMW hier beim Leipziger Stadtparkrennen 1951, Foto: Rössing, Renate und Roger, von Deutsche Fotothek‎, CC BY-SA 3.0 de, via commons.wikimedia.org

Das 3. Dessauer Motorrad- und Autorennen 1952

Am 11. Mai 1952 wurde zum dritten Dessauer Rennen auf eine fünf Kilometer lange Strecke, die nun sogar eine Steilkurve aufwies, gestartet. Die Start- und Zielgerade befand sich auf der alten nun verbreiterten Landstraße Bitterfeld-Dessau im Heideburger Forst. Der Kurs wendete sich in der neu gebauten steilen “Kurve der Jugend” wieder Richtung Autobahnauffahrt. Dort führte der Kurs auf der Richtungsfahrbahn nach Süden und wendete wie gewohnt nach etwa einem Kilometer in einer Spitzkehre, führte aber nicht über die Brücke der Auffahrt Dessau-Süd. Der Kurs querte kurz nach der Brücke die Autobahn und bog auf die alte Landstraße Richtung Dessau und Start und Ziel ein. Leider wurde das Rennen durch einen tragischen Unfall überschattet. Beim Training verunglückte Rennfahrerlegende Paul Greifzu kurz nach der Auffahrt auf die A9 Richtung Kehre durch einen kapitalen Motorschaden schwer und starb. Trotzdem kamen mehr als 100.000 Besucher zu den Rennen. Der Höhepunkt war das Wagenrennen bis 2000ccm wo sich die Fahrzeuge bei etwa 200 km/h überholten. Leider waren einige Favoriten nicht mehr dabei. Klodwig und Fischer fielen schon im Training durch Motorschaden aus. Edgar Barth musste im Rennen mit Kupplungsschaden aufgeben. So gewann Fritz Ries aus Nürnberg vor Theo Helfrich und Rudi Krause. 

Überwachsene Steilkurve der Rennstrecke Dessau

Überwachsene Steilkurve der Rennstrecke Dessau von Lostbastard – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, via commons.wikimedia.org

Original des “Greifzu-Fahrzeug 2” im Fahrzeugmuseum Suhl

Grafik Streckenverlauf 1952, Quelle 1 siehe unten

Paul Greifzu Gedenkstein Dessau

Paul Greifzu Gedenkstein Dessau, von Actionman – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, via commons.wikimedia.org

Das 3. Dessauer Motorrad- und Autorennen 1953

Beim Rennen der 125ccm-Ausweisklasse am 7. Juni 1953 hatte eines unserer größten Talente des Motorrad-rennsports  einen frühen Auftritt. Ernst Degner führte 5 Runden lang das Rennen und wurde letztlich Dritter mit seiner selbst zurechtgemachten DKW. In der Formel 2 siegte Edgar Barth im EMW vor Hans Stuck im AFM und Rudi Krause(BMW). Theo Helfrich (Veritas) schied aus. Der Wagen von Paul Greifzu war wieder neu aufgebaut worden. Doch Bobby Kohlrausch konnte sich damit nicht im Vorderfeld der Formel 2 platzieren. Bei den Rennsportwagen Gruppe F gewann Arthur Rosenhammer vom EMW-Rennkollektiv. In der 250ger Motorradklasse zeigte sich allmählich das Potential der AWO RS-Maschinen. Interessant war ein Bericht des Illustrierten Motorsport vom Juni 1953 über das Rennen. Dort wurde von insgesamt 180 Verletzten der Veranstaltung berichtet. Diese Verletzten waren aber kein Rennfahrer. Es waren allesamt Zuschauer, die von Bäumen gefallen waren, deren Sitzkonstruktionen zusammenstürzten oder die durch die überlasteten Äste zu Boden fielen. Weitere Kritikpunkte waren, dass es der HO (Handelsorganisation) nicht gelang genügend Getränke bereitzustellen und dass Kriminelle etwa 70 Strohballen der Streckenabsicherung stahlen.3 Durch ein Hochwasser fiel das Rennen im Jahr 1954 kurzfristig aus. Im Dezember 1954 stellte Arthur Rosenhammer mit einem EMW-Rennsportwagen Gruppe F einen Weltrekord über 10 Meilen auf der abgesperrten Autobahn auf. Mit einem ähnlichen Wagen aber ohne die kleine Kanzel-Vollverkleidung war er 1954 auch in Leipzig zu sehen gewesen. 

Pail Thiel EMW Gruppe F beim Stadtparkrennen Leipzig 1954

Der EMW Gruppe F wie er in Dessau 1953 von Rosenhammer gefahren wurde hier beim Stadtparkrennen Leipzig 1954 pilotiert von Paul Thiel.

AWO RS 425 Baujahr 1953 hier gefahren von Jens Herfort in Lückendorf 2022

Das 5. Dessauer Motorrad- und Autorennen 1955

Der Illustrierte Motorsport berichtete von der Motorsportbegeisterung. Die auf fünf Kilometer verlängerte Strecke mit ihrer neuen Steilkurve war ohne staatliche Gelder von unzähligen Freiwilligen regelrecht herbeigeschaufelt worden. Bei der Veranstaltung am 15. Mai 1955 wurde die Autobahn auch wieder als riesiger Parkplatz benutzt. Der damals noch recht geringe Verkehr wurde über die Landstraßen über Dessau Köthen oder Bitterfeld umgeleitet. Das hab ich in jüngster Zeit auch ab und zu erlebt – allerdings aufgrund von Vollsperrungen wegen Unfällen und nicht aufgrund einer Motorsportveranstaltung. Trotz Sturm und Regen waren etwa 70.000 Zuschauer nach Dessau gekommen. Eine Hauptattraktion war der gesamtdeutsch ausgeschriebene Lauf der Rennsportwagen Gruppe F. Das Publikum erwartete packende Rennen zwischen Kurt Ahrens, Theo Helfrich und anderen westdeutschen Fahrern mit Porsche Spydern sowie Edgar Barth und Arthur Rosenhammer mit den neuen EMW R3 des Rennkollektivs. Leider hatten Helfrich und Ahrens ihre Wagen bei einer Kollision auf dem Hockenheimring kurz vorher zerstört. Richard Trenkel und Hanno Höftmann mit ihren Porsche konnten den neuen Eisenacher Wagen nicht viel entgegensetzen. Hans Lautenschläger schlug sich jedoch mannhaft mit sehenswertem Sport und belegte mit seinem Porsche-Spyder den 4. Platz. Sieger wurde Edgar Barth vor Arthur Rosenhammer und Paul Thiel alle auf EMW R3. Auch in anderen Klassen standen Fahrer auf den Podest, die in den nächsten Jahren sehr erfolgreich sein würden. In der Lizenklasse bis 125ccm der Motorräder siegte Horst Fügner vor Ernst Degner und Bernhard Petruschke und in der Formel III Willy Lehmann. Zweiter wurde Heinz Melkus. Ansonsten waren viele Podeste durchaus gesamtdeutsch bestanden. In den größeren Hubraumklassen fuhren auch die Ostdeutschen Fabrikate wie Norton, NSU, Triumph oder Horex.

Perduß im Seitenwagen Dessau 1956

Staschel/Perduß im BMW- Gespann, Quelle: IMS

Edgar Barth Nürburgring

Edgar Barth Sieger Nürburgring 1957, von Willy Pragher, Landesarchiv Baden-Württemberg, CC BY 3.0, via commons.wikimedia.org

Edgar Barth im EMW R3 in Dessau 1956

Edgar Barth im EMW R3 in der Südkehre, Quelle IMS

Das letzte Dessauer Rennen

Aufgrund eines weiteren Hochwassers war das 6. Dessauer Automobil- und Motorradrennen vom April auf den 23. September 1956 verlegt worden. Die wohl spannendsten Rennen gab es diesmal bei den Gespannen. Vor allem in den Kurven an der Autobahnanbindung konnte man wahre Artistik sehen. Das Rennen der 500er Lizenz wurde von den Werks-BMW von Hildebrand/Grunwald und Schneider/Strauß dominiert. Packende Zweikämpfe lieferten sich Staschel/Perduß mit Neußner/Heß. Auf dem Podest standen am Ende nur westdeutsche Fahrer, genau wie in der fünfhunderter Solo-Klasse. In der Formel III war inzwischen die Überlegenheit der englischen Cooper nicht mehr zu übersehen. Es gewann der Holländer Lex Beels vor Theo Helfrich und Kurt Ahrens alle auf Cooper. Das attraktive Rennen der Rennsportwagen der Gruppe F wurde durch die Nachricht getrübt, dass die zuffenhausener “RS” unter Huschke von Hanstein nicht erscheinen würden. Neben dem Porsche von Meub traten nur Theo Helfrich mit seinem Porsche-Spyder und Lex Beels mit einem Maserati als ernst zunehmende Konkurrenten für das AWE-Rennkollektiv an. Das Rennen wurde so zu einer Art “Betriebsmeisterschaft” für das Eisenacher Werk. Das beantragte Rennen für die nächste Saison wurde nicht mehr genehmigt. Die Sperrung der Autobahn war bei dem gestiegenen Verkehrsaufkommen nicht mehr zu verantworten. Dessau würde aber bald wieder eine wichtige Rolle im Motorsport der DDR spielen. Die Rennstrecke diesmal; die Elbe.

Quellen: Hein, Bernhard: Die Dessauer Autobahnrennen von 1949 bis 1956. Eine Dokumentation, Funk Verlag Bernhard Hein e.K., 2006

1 Grafik Strecke: Von M_H.DE – Eigenes Werk (own work) besteht aus: Bearbeiten der Karte von OpenStreetMap durch Aufzeichnen der Rennstrecke mit GPS-Empfänger auf Grundlage der Streckenbeschreibung im Programmheft: 3. Dessauer Auto- und Motorradrennen Rennen 11. Mai 1952. Herausgeber: Rennleitung Dessau – Gesamtgestaltung: Dewag-Werbung Dessau IV/22/2 BO Calbe-1500-379661/52, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6085300

2 Foto: Rössing, Renate und Roger, von Deutsche Fotothek‎, CC BY-SA 3.0 de, via commons.wikimedia.org

3 Illustrierter Motorsport, 1953, 2. Juniheft