Die 50-Kubik-Strassenrennmaschinen von Ralf Schaum aus den Jahren 1971 bis 1982
Schon als Dreijähriger fuhr Ralf Schaum ein Simson-Fahrzeug. Dreiräder für Kinder gehörten zu den ersten Produkten, die bei der AWTOWELO AG nach dem Krieg wieder hergestellt wurden. In einem Holzschuppen in Halle-Diemitz baute er ab 1966 an den Zweirädern aus Suhl und Zschopau. 1969 entstand hier eine gut getunte MZ ES 150. Beim Studium an der Ingenieurschule für Kraft- und Arbeitsmaschinen “Rudolf Diesel” in Meißen lernte er Hartmut Bischoff und Dieter Krone kennen. In deren Werkstatt half er beim Aufbau von Rennmaschinen mit und wurde Helfer bei Krone, der mit Simson-Motoren im Rennsport startete. In Halle-Diemitz stellte Rascha dann 1971 seine erste eigene Rennmaschine auf die Räder. Den ersten Rahmen baute er selbst. Ein selbst getunter Motor mit Einlaßdrehschieber, Sperber-Getriebe und Vorgelege einer Simson GS kam zum Einsatz. Inzwischen hatte die FIM die Anzahl der Gänge auf sechs begrenzt. So baute er an den Schaltmechanismus einen Anschlag an, der das Einlegen des vierten bzw. mit Vorgelege 7. und 8. Ganges verhinderte. Aus Teilen einer Telegabel von einer MZ ETS und einer selbst gefertigten Duplexbremse baute er die vordere Radaufhängung. Das erste Mokick von Simson mit Telegabel erschien erst 1975. An die sehr raren Gabeln der Simson GS kam man kaum heran. Der Motor leistete zunächst 9 PS und bekam 1972 eine erste Thermosiphon-Wasserkühlung.
1974 baute Ralf Schaum seine zweite wassergekühlte Fünfziger auf. Zylinder, Zylinderkopf und viele andere Teile konstruierte und fertigte er selbst. Dazu musste er Modelle und Formen bauen. Unten sind Rohlinge der 2. Generation der wassergekühlten Motoren zu sehen. Der Kopf besteht hier aus zwei Teilen, die verschweißt werden mussten. Zunächst hatte das Triebwerk noch ein klauengeschaltetes Getriebe mit Vorgelege. Später ein Sechsgang-Ziehkeilgetriebe. Der Rahmen wurde von Karl Ritter in Munzig gebaut. | |
Im Jahr 1976 konnte Rascha mit der modifizierten Maschine mit Ziehkeilgetriebe den 1. Platz in Schleiz und den Pokal des ADMV gewinnen. Damit stieg er in die Lizenzklasse auf. Er siegte dabei gegen Volkmar Öhlschleger auf Simson RS und Horst Beelitz, der wie viele Andere Kreidler-Motoren fuhr. Jörg Eismann baut 2025 die Maschine in den Zustand ihres ersten Einsatzes (mit Vorgelege) zurück. “Ich habe immer viel probiert”, sagte Rascha einmal, “Dadurch bin ich auch öfter ausgefallen.” Er hat wohl mehr Versuche gemacht als andere, die dann teilweise den Nutzen daraus ziehen konnten. Geärgert hat er sich vor allem, wenn andere seine von ihm gekaufte “Rascha” als Eigenbau ausgaben. Er hatte lange geübt, um selbst Aluminium-Teile ohne Lunker gießen zu können. Nach dem Herausfinden von beispielsweise der idealen Vorwärmtemperatur für die Formen lief es immer besser. Ein Problem waren die Testläufe, da es in der DDR nirgends eine permanente Rennstrecke gab. Auf der alten Start- und Landebahn der Junkers-Flugzeugwerke in Dessau gab er den frisch zusammengebauten Rennern die Sporen. | |
Ralf Schaum arbeitete ab 1974 als Werkzeugmacher beim Betriebsmittelbau beim VEB IFA Karosseriewerk Halle. Dort lernte er von den “alten Füchsen” das spannungsarme Schweißen von Rahmen und baute von nun an alle Rahmenteile, Vorrichtungen und Schweißlehren selbst. So auch für die kürzlich wiederentdeckte, noch nicht restaurierte Maschine mit Scheibenbremsen. Die wichtigen Teile der Scheibenbremsen fertigte er selbst. Bei späteren Maschinen kamen wieder die Duplexbremsen mit vier Bremsbacken vorn zum Einsatz. Die hatten also links und rechts je eine Bremsankerplatte. | |
Ab 1977 entstanden etliche neue Rennmaschinen mit selbst gefertigten Fahrgestellen und Motoren auf Basis Simson mit Wasserkühlung (3. Generation). Einige dieser “Raschas” wurden an andere Fahrer verkauft. Die Triebwerke besaßen ein Sechsgang-Ziehkeilgetriebe eigener Herstellung, dessen Hauptmechanismus nun nach rechts aus dem Getriebegehäuse herausgenommen werden konnte, ohne die Motorgehäusehälften zu trennen, sowie eine freilaufende Trockenkupplung.
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Die Motorleistung dieser Serie stieg von 12,5 auf bis zum Schluß 19,5 PS, die aber bei enormen Drehzahlen von bis zu 16.000 U/min erreicht wurden. Dazu wurden Kurbelwellen von Kreidler verwendet, die aber stark modifiziert wurden. Kreidler hatte den Drehschieber ebenfalls rechts und dort außen auch den Zündgeber. Diesen setzte Rascha auf die Kupplungsseite und kürzte die Welle rechts nach der Schieberplatte ab. Die Kreidler-Wellen nahm er auseinander und setzte von Simson aus Chrom-Nickel-Stahl gefertigte Pleuel ein. Alfred Fuchs in Ruhla fertigte für diese Pleuel spezielle Lagerkäfige, die versilbert waren. Damit konnte man mit den Kreidler-Motoren der niederländischen Tuner zunächst mithalten und manchmal auch gewinnen.
Wieviele solche Rennmaschinen mit 50ccm Rascha gebaut hat, kann er nicht mehr genau sagen. Er meinte aber, dass es mindestens elf sein müssen – sozusagen “11 + x”. Während des 2. Studiums gab er 1982 den Rennsport auf. Nach dem Studienabschluß als Kfz-Ingenieur im Jahr 1985 betrieb er eine kleine Firma, die für Simson Kurbelwellen regenerierte. Die Fähigkeiten Schaums sprachen sich auch in Suhl herum. Nur die Leute, die in der DDR selbstständige Unternehmer waren, können verstehen, was es bedeutete, im Preiskarteiblatt – eine Einrichtung des Systems der Planwirtschaft – Sonderleistungen für Motorsportzwecke genehmigt und eingetragen vorweisen zu können. So fertigte er bald in Kleinserie beispielsweise Getriebeteile für Simson Werksgeländemaschinen. Nach der Wende baute er Oldtimer, wie eine extrem seltene Vollschwingen GS 50 wieder auf und bestritt mit seinen alten Raschas Rennen im historischen Rennsport beim VFV und anderen Serien. Vieles blieb unvollendet, wie der Nachbau der MZ RZ 250, die Horst Fügner bei der WM 1955 fuhr, oder der originale SEG II des DDR-Meisters Willi Lehmann. Zurückblickend sagte er mir: “Ich habe das Simson-Grundkonzept weiterentwickelt und bin dabei geblieben…Andere haben das in die Ecke geschmissen….Die haben oft nur nachgebaut…Die wissen gar nicht, wie schön das ist, was das für Erfolgserlebnisse sind, wenn das funktioniert.” So war er und deshalb mochte ich ihn so.
![]() Rascha neben Stanko Markotic (61) in Schleiz Mai 2018, Foto: Archiv Schaum |
![]() Ralf Schaum in seiner Werkstadt, Foto: Archiv Schaum |