60 Jahre Silbervase und Trophy-Gewinn bei den Six Days für DDR-Mannschaften
Am 7. September 2024 veranstaltete das Fahrzeugmuseum Suhl eine Oldtimerfahrt und Gedenkfeier, die an ein herausragendes Ereignis in der Sportgeschichte erinnern sollte. Viele Aktive, Mechaniker, Techniker und Helfer von damals trafen sich wieder. Eine große Zahl ganz unterschiedlicher Simson-Geländemaschinen wurde präsentiert. Genau vor 60 Jahren am 7. September 1964 wurde in Erfurt zum ersten und einzigen Mal die Internationale Sechstagefahrt auf dem Boden der DDR gestartet. Die International Six Days Trophy (ISDT) ist eine Art Weltmeisterschaft im Motorradgeländesport – heute Enduro genannt. Teams und Fahrer kommen aus der ganzen Welt zusammen, um sich sechs Tage lang im mehr oder weniger schweren Gelände zu messen. International wurde der Wettbewerb ab 1913 in England ausgetragen. Nationale Matches gab es in Schottland schon ab dem Jahr 1903. Bald entstand die Regel, das das Land der Trophy-Gewinner den nächsten Wettbewerb austragen kann. Die sechziger Jahre waren vom “Kalten Krieg” geprägt. Die Sportler der DDR durften im Jahr 1961 nicht nach Großbritannien und 1962 nicht nach Westdeutschland einreisen. Die NATO-Staaten untersagten dies. Erst im Jahr 1963 konnten die DDR-Mannschaften zu den Six Days wieder antreten, denn diese fanden in Spindleruv Mlyn in der CSSR statt. Ende der fünfziger Jahre fuhr man mit recht seriennahen MZ-ES-Maschinen und den AWO-Viertaktern. Nun waren bei MZ neue leichte Maschinen mit Telegabel entwickelt worden, mit der auf Anhieb die Trophy in Spindlermühle gewonnen wurde. Trotz der unguten politischen Situation gestattete die FIM bei ihrem Herbstkongress in London die Durchführung der nächsten ISDT im kleinen Land hinter dem “Eisernen Vorhang”, wobei diesmal die westdeutschen Fahrer, obwohl eingeladen, nicht antraten. Es gab aber eine ungewöhnliche Premiere. Zum ersten Mal starteten zwei Mannschaften aus den USA im “Reich des Bösen”. Der Schauspieler Steve McQueen, sein Stuntman Bud Ekins, dessen Bruder Dave, sowie Cliff Colemann traten mit schweren Triumph Maschinen für die Silbervase an. Insgesamt gingen am 7. 9. 1964 226 von 237 gemeldeten Fahrern aus vierzehn Nationen an den Start. Die siegreiche Trophy-Mannschaft von MZ trat in derselben Besetzung wie 1963, also mit Günter Baumann, Horst Lohr, Peter Uhlig, Bernd Uhlmann, Hans Weber und Werner Salevsky an. Sowohl MZ als auch Simson hatten für die Silbervase jeweils eine junge Junioren-Mannschaft aufgestellt.
Die Tagesstrecken von Tag 1 und 3 sowie 2 und 5 waren gleich, wobei sie an den Tagen 3 und 5 in der Gegenrichtung gefahren wurden. Die Längste war mit 407 Kilometern die von Tag 1 und 3. Die vorgegebene Zeit dafür 9 Stunden und 50 Minuten. Nach dem Start in Erfurt gab es eine Überführungsetappe nach Arnstadt. Dann ging es auf verschiedenen Wegen durch den Thüringer Wald. Diese Runden hatten stets eine Zeitkontrolle im Simson-Werk in Suhl. Bei der Jubiläumsveranstaltung in diesem Jahr wurde sie am historischen Ort nachgestellt. Dabei spielte eine von Ralf Schaum aus Halle/Teicha restaurierte Werks-GS eine wichtige Rolle – wie im Video zu sehen. Die Runden wurden je zweimal gefahren. Am 6. Tag wurde nur ein kleines Stück der Strecke vom 4. Tag gefahren. Den Abschluß bildete dann die Geschwindigkeitsprüfung auf dem Flugplatz Erfurt-Bindersleben. Bis 1961 bestritt Simson Motorsport mit den AWO-Viertaktern. Die Planwirtschaft hatte den Betrieb aber als Fertigungsstätte für die sehr nachgefragten Mopeds und Mokicks bestimmt. Zusammen mit der sogenannten “Vogelserie”, die zunächst aus Spatz, Star und Schwalbe bestand, wurden auf der Basis dieses Triebwerks nun Geländemaschinen entwickelt. In der CSSR hatten die kleinen Fahrzeuge noch einige Kinderkrankheiten. In Erfurt liefen sie – wie auch all die MZ-Enduros – wie die Bienchen. Der Erfolg war grandios. Die Trophy wurde, von derselben Mannschaft der DDR wie im Vorjahr vor England und der UdSSR gewonnen. Die Silbervase holte DDR-B auf Simson vor DDR-A auf MZ und CSSR-A. Bei den Clubmannschaften gewann Holland-West vor den DDR-Mannschaften GST III und Dynamo II. Die ersten fünf Plätze der Fabrikmannschaften gewannen Simson und MZ vor Triumph (Platz 6.) und Greeves (7.). Nur die Klassen bis 125ccm und bis 750ccm wurden nicht von DDR-Fahrern gewonnen. Sonst war stets ein DDR-Fahrer Sieger in den Einzelwertungen. Der Gesamtsieger war Siegfried Rauhut ausgerechnet auf der kleinsten Maschine einer Simson GS 50. Einen beachtlichen 3. Platz bei den 750gern belegte übrigens Cliff Colemann auf einer gewaltigen Triumph aus dem Silbervasen-Team um Steve McQueen. McQueen selber schied leider am 3. Fahrtag durch Sturz aus.
Zwischen den Höhepunkten der Oldtimerfahrt und der Gedenkfeier hatte ich Gelegenheit, mir das das Fahrzeugmuseum Suhl noch einmal anzusehen. Seit meinem letzten Besuch waren viele Exponate hinzugekommen. Sehr interessant fand ich die Konstruktion von Emil Zehner, welche erstmals einen Variator besaß, der mit einem Hebel von Hand bedient wurde. Mit diesem konnte man 18 verschiedene Übersetzungen einstellen. Bei heutigen Rollern aller Art wird diese Getriebe-Automatik – allerdings durch Fliehkraftregler gesteuert – angewendet. Ebenfalls in Suhl wurde die Krieger & Gnädig 500 hergestellt. Diese hatte schon drei Jahre vor dem Erscheinen der BMW R 32 einen Kardan-Antrieb. Man kann in ihr eine Art Vorfahr der Simson-AWO sehen. Sehenswert sind einige schöne Prototypen aus Suhl, die leider nie in Serie gingen, wie das zweizylindrige S 100 und der Simson Roller KR 52 “Supra”. Eine schöne Serie von Rennmaschinen erinnert an die zahlreichen Erfolge mit DDR-Motorrädern. Ein Besuch im Fahrzeugmuseum Suhl lohnt sich auf jeden Fall. Gehen Sie hin!
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