Volles Haus im ehemaligen Motorradwerk Zschopau
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Vortrag über Ingenieur Kurt Kämpf
Das Deutsche Enduro-Museum Zschopau befindet sich im quer zum Tal stehenden Fabrikgebäude des Motorradwerks. Dahinter, im rechtem Winkel dazu, befinden sich die Produktionshallen, in denen die Fertigungsbänder für die Motorrad-Montage installiert waren. Eine der Hallen, die heute das Industriemuseum behertbergt, füllte sich am Freitag dem 13. Juni bis auf den letzten Sitzplatz. Der Leiter des Enduro-Museums Markus Schachtschneider stellte das Wirken eines Pioniers des Motorradbaus in der jungen DDR vor. Unterstützt wurde er dabei von Woldemar Lange, der beispielsweise bei der ersten Leistungsprüffahrt “Rund um Zschopau” mit einer AWO teilnahm und lange Zeit Direktor des Motorradmuseums im Schloß Augustusburg war, sowie von Thomas Fritzsch. Neben dem Wirken Kämpfs in Zschopau wurden einige interessante Details zur Entwicklung der IFA BK 350 erläutert. Schon Carl Benz hatte 1897 einen Boxermotor im Viertaktverfahren entwickelt, den er auch als “Contra-Motor” bezeichnete1. Im Viertakt-Verfahren arbeiteten auch die Motoren von Douglas (1913), Victoria und Mars (1920) bevor BMW im Jahr 1923 die R32 vorstellte. Wahrscheinlich der erste Boxer, der im Zweitakt arbeitete, wurde von der französischen Firma Sima 1924 gebaut. Seine 10 Pferdestärken trieben ein sehr leichtes Cyclecar an. Solche Leichtfahrzeuge nahmen anfangs auch an den “International Six Days Trail” genannten Zuverlässigkeitsfahrten teil. Aber auch unter Rasmussen wurden bald Zweitakt-Boxermotoren entwickelt, welche die in Erla gebauten Flugzeuge von Franz Xaver Mehr antrieben. Zum Starten der ersten Flugzeug-Strahlturbinen dienten sehr hoch drehende Zweizylinder in dieser Bauweise beispielsweise der sogenannte “Riedel-Anlasser”. Es gibt Hinweise, dass schon etwa um 1935 bei DKW unter Mitarbeit der Gebrüder Küchen Motorrädern mit Zweitakt-Boxermotor und Kardanantrieb entwickelt werden sollten. Ein Prototyp eines wassergekühlten Zweitakters aus dieser Zeit konnte in der Halle bestaunt werden. Diese Vorarbeiten waren mutmaßlich Dr. Hoffmann im Konstruktionsbüro 10 in Chemnitz sowie Ing. Bang bekannt. Jedenfalls wurde nach ihren Entwicklungen in Cunewalde schon 1947 ein Prototyp eines solchen Motorrades gebaut.
![]() Sima Violet Cyclecar mit Zweitakt-Boxermotor 1924 by Lothar Spurzem, Own work, CC BY-SA 2.0 de, via commons.wikimedia.org |
Der im Jahr 1920 geborene Kurt Kämpf kam 1949 als Technologe nach Zschopau. Er trieb mit seiner zupackenden Art den Umzug vom kleinen Zweigwerk Willischtal ins Hauptwerk sehr voran. Die imponierte vermutlich Werkleiter Liebers und nach dem Umzug wurde Kämpf Leiter der Versuchsabteilung. Trotz vieler Anlaufschwierigkeiten konnte die IFA RT 125 bald in die Serie überführt werden. Der Einsatz der zu prüfenden Technik im Rennsport und bei Leistungsprüffahrten stellte sich bald als wichtiger Motor der Entwicklungsarbeit heraus. Nachdem Herrmann Scherzer auf einer frühen RT erste Erfolge einfahren konnte, wurden von Minister Selbmann 180.000 Mark zur Entwicklung von Rennmaschinen bereitgestellt. Kurt Kämpf wurde nun auch zum Leiter eines ersten Rennkollektives in Zschopau, sozusagen der Vorgänger Walter Kaadens. Beim Leipziger Stadtparkrennen im Jahr 1951 fiel Kämpf die gekonnte Fahrweise des privaten Ausweisfahrers Horst Fügner auf. Gleich darauf wurde er ins Rennkollektiv aufgenommen.
Nach einer neuen Anweisung von staatlicher Seite vergrößerte Konstrukteur Kurt Bang 1950 den Hubraum der BK von 250 auf 350 Kubikzentimeter. Schon auf der Frühjahrsmesse 1951 in Leipzig wurde die IFA BK 350 erstmals ausgestellt. Die Versuchsabteilung setzte die Motorräder vor allem bei Leistungsprüffahrten harten Tests aus. Kämpf selbst wurde hier zu einem der erfolgreichsten Fahrer. Die internationale Presse und zahlreiches Publikum konnten die recht schnellen Boxer-Kardan-Maschinen beispielsweise bei der Deutschlandfahrt bestaunen. Kämpf erreichte sowohl auf der Solitude als auch zum Schauinsland Bestzeit und gewann neben den Goldmedaillen den ADAC-Becher. Die im Wesentlichen der Serie entsprechenden RT 125 und BK 350 wurden auch im schweren Gelände in Isny im Allgäu hart “rangenommen”. Mit Motorrädern, die zu diesem Zeitpunkt schon 120.000 Kilometer Erprobung “auf dem Buckel” hatten, nahmen die Zschopauer gar an der 28. ISDT der Mannschafts-Weltmeisterschaft im Motorradgeländesport 1953 im tschechoslowakischen Gottwaldow teil. Das nenne ich “wahre Erprobung.” Kämpf schrieb auch Kolumnen in Zeitschriften. Dort beklagte er die teilweise schlechte Qualität einiger Teile aus Zschopau, für die er paradoxerweise aber selbst als Chef der Versuchsabteilung mitverantwortlich war. Walter Kaaden war von Werkleiter Liebers inzwischen als Verantwortlicher für die Rennabteilung im Strassenrennsport bestimmt worden, sodas Kämpf sich im Sport auf die Leistungsprüffahrten konzentrierte. Neben dem Unmut, den seine Kritik an der Qualität bei staatlichen Stellen, aber auch im Werk selbst hervorgerufen hatte, kündigten sich weiteres Unbill an. Die IFA-Entwicklungsabteilung in Chemnitz sollte aufgelöst werden und Ingenieure, wie Herbert Friedrich, bewarben sich um Posten in Zschopau. Diese Konstellationen mögen dazu geführt haben, das Kämpf eine schwerwiegende Entscheidung traf. Auf dem Weg zum Rennen auf der Solitude am 25. 7. 1954 verließ er das Team und setzte sich in den Westen ab. Das besondere am Vortrag war auch das fachkundige Publikum. Kenner wie Frieder Bach oder der Enkel des DKW-Urgesteins Meister Sprung Michael Sprung gaben Informationen zu verschiedenen Details.
Seit meinem letzten Besuch sind etliche neue Exponate in die Ausstellung des Enduro-Museum gekommen. Der Prototyp einer MZ 125 Geländemaschine mit Telegabel, wie sie nur 1965 auf der Isle of Man eingesetzt wurde ist einzig, ebenso der Eigenbau von Dipl. Ing. Reiner Prass mit einem ESO-Bahnmotor. Ein seltenes sehr interessantes Stück Technikgeschichte ist zweifellos die Hercules Geländemaschine mit Wankelmotor. Ein Besuch im Deutschen Enduro-Museum Zschopau lohnt sich auf jeden Fall.
Quellen: Woll, Manfred, IFA/MZ-Renngeschichte 1949-1961, HEEL Verlag GmbH, Königswinter, 2001 Sass, E.H. Friedrich, Geschichte des Deutschen Verbrennungsmotorenbaus von 1860 bis 1918, Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH, 1962, Seite 258
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