Der Tag der großen Kleinen
Die Ausstellungen in Raschas Oldtimergaststätte “Zur Linde” in Teicha zeichnen sich durch zwei Hauptmerkmale aus. Erstens: Es sind seltene Originale und Unikate zu sehen, Zweitens: Ein großer Teil der Besucher ist sehr fachkundig. Oft sind oder waren sie Motorsportler. Und so war es auch diesmal. Ein Dürkopp-Motorrad mit einem Alter von 123 Jahren kann man schon als Rarität betrachten. Von den AWO RS 250/5 Werks-Straßenrennmaschinen existieren noch zwei. Genau 551 der 557 produzierten Geländemotorräder MZ ES 125/G wurden exportiert – recht viele nach Finnland. Im “Miniland” DDR verblieben demnach sechs (frei nach Adam Ries). Der Großteil der recht leistungsfähigen Maschinen dürfte irgendwo in den Weiten der Paläarktis verrottet sein. Heute gibt es etliche Repliken. Die Originale haben, wie die unten Abgebildete, ein Fünfganggetriebe. Daran könnte man sie erkennen.
Nach den raren Originalen nun zu den Unikaten. Das unrestaurierte Eigenbau-Bike auf Basis der MZ ES 250 erinnert an eine in Leipzig für das Publikum sehr attraktive Veranstaltung. Der MC Kraftverkehr Leipzig organisierte diese Beschleunigungsrennen auf der Friedrichshafener Straße im Leipziger Stadtteil Mockau. Auf den Fußwegen links und rechts drängten sich die Massen. Der Vizeweltmeister Aalt Toersen erreichte in der ähnlichen Disziplin “Viertelmeile” mehrere Weltrekorde mit von Van Veen getunten Kreidler-Motoren. Zwei seiner “Kanonenkugeln mit Speichen” hat er nach Teicha mitgebracht. Die mit einem G-Lader Aufgeladene soll 30 PS aus den 50 Kubikzentimetern Hubraum erzielen.
Das Thema der Ausstellung stellt spezifisch hohe Motorleistung mit kleinen Hubräumen in den Mittelpunkt. In der Schnapsglasklasse war die westdeutsche Firma Kreidler lange Zeit das Maß der Dinge. Umso interessanter sind für mich alle Versuche, mit Simson-Abwandlungen oder völligen Eigenentwicklungen Paroli bieten zu wollen. Ein Konstrukteur und Rennfahrer, der dies versuchte, ist Ralf Schaum. Rascha nutzte die Ausstellung in seiner Gaststätte, um zu zeigen, wie viele Arbeitsschritte und Innovationen beim Bau der Rennmaschinen und fast allen ihrer Teile notwendig waren. An dieser Stelle kann ich das Thema nur kurz anreißen. Er baute in seine Maschinen beispielsweise Doppelduplex-Bremsen ein. Das heißt; am Vorderrad gab es links und rechts je eine Bremsankerplatte – also insgesamt vier Bremsbacken innerhalb einer speziellen Bremstrommel. Selbstverständlich war die ganze Apparatur innenbelüftet. Der grobe Alu-Rohling aus einem schlichten Sandformguß rechts unten läßt erahnen, dass die Bearbeitung recht anspruchsvoll war. Man sehe sich die fertige Bremse an! Natürlich mussten allein dafür etliche Vorrichtungen, beispielsweise ein Bohrlehre gebaut werden. Rascha baute Motoren in verschiedenen “Generationen”. Die Technologie der Wasserkühlung wurde nacheinander auf verschiedene Weise gelöst. Die ersten Triebwerke verdoppelten die Gangzahl der Simson-Getriebe durch ein von Simson im Motorradgeländesport verwendetes Vorgelege. Dann baute Ralf Schaum ein eigenes Sechsgang-Ziehkeilgetriebe.
mehr zu den Rascha-Rennmaschinen
Zu den Fahrzeugen, die mit wenig Hubraum erstaunliche Fahrleistungen erzielen können, gehört auch der Trabant. Zunächst belächelt, wurden die “Rennpappen” auf den Rennstrecken des “Minilandes” bald durchaus ein Publikums-Magnet. Der talentierte Grafiker und Buchautor Jens Conrad hat über die Geschichte der kleinen Tourenwagen ein lesenswertes Buch geschrieben. In einem Vortrag machte er dafür entsprechenden Appetit. Vortrag und Diskussion brachten viele Informationen, die auch für mich neu waren. Conrad schuf auch wunderbare Illustrationen für Ausstellungen im August-Horch Museum Zwickau, im Museum für sächsische Fahrzeuge in Chemnitz und für die Bücher von Hendrik Medrow (siehe Quellen). Dem Vortrag lauschten auch Teilnehmer der DDR-Meisterschaften wie Erwin Rauer und heute im historischen Rennsport aktive Fahrer. Mathias Gräfe beispielsweise fährt heute den schnellen Trabant von Horst “Trabiator” Wolf.

Jens Conrad, Lutz Krampitz, Günter Schott, Michael Schaer, Matthias Balanski, Erwin Rauer, Mathias Gräfe und Marcus Riedl am ersten Schumann-Trabi heute im Besitz von Marcus Riedl.
Quellen: Conrad, Jens, Die Renn- und Rekordwagen der Auto Union, August Horch Museum Zwickau . gemeinnützige GmbH, Zwickau, 2010 Medrow, Hendrik, Von Könnern, Machern und Legenden, Akteure im Automobilrennsport der DDR, HB-Werbung und Verlag GmbH & Co. KG, Top Speed, Chemnitz 2016 . Conrad, Jens, Meister mit zwei Kerzen: Trabant Rennsport in der DDR, Top Speed, Chemnitz 2023
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